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Hymne an Die Nacht

Hymne an Die Nacht

Titel: Hymne an Die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Madsack
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eintreffen.«
    »Weshalb macht er dann seine Party ausgerechnet an diesem Ort?«, murmelte sie missmutig, doch er wusste, dass sie die Umgebung trotz der Dunkelheit bereits mit ihren Augen abtastete.
    »Vielleicht bist du zur Abwechslung mal ganz froh, dass dein Vampirvater dir ein paar besondere Fähigkeiten vererbt hat«, erwiderte er trocken. »Und weshalb die Feier gerade hier oben stattfindet, kann ich dir auch nicht sagen. Ich denke nur, dass er keine Lust hatte, auf eines der öden Hotels auszuweichen oder auf die noch öderen Restaurants. Wir werden sehen.«
    Sie fuhren weiter in den Ort hinein. Nur aus wenigen Gebäuden, die sich als kaum sichtbare Umrisse gegen den Nachthimmel abhoben, drang schwaches Licht.
    »Was siehst du?«, versuchte er sie zu testen.
    »Modernere Hotelkomplexe, nicht zu hoch gebaut und in alpinem Stil, davor Skilifte und niedrige hölzerne Buden, wahrscheinlich Andenkenläden für die Touristen.«
    Stanislaw nickte zufrieden. »Was noch?«
    »Ein paar größere Chalets, sie scheinen aus der Zeit der letzten Jahrhundertwende zu stammen.«
    Er steuerte den Geländewagen in eine kleine Seitenstraße, der einzigen Lichtquelle entgegen.
    Sie wandte ihm das Gesicht zu. »Ich nehme an, wir haben unser Ziel erreicht.«
    Er nickte und hielt direkt vor einem Portal, das an beiden Seiten von Fackeln erleuchtet war. Igor, der sich während der Fahrt nicht gerührt hatte, wollte als Erster hinausspringen, blieb aber auf einen Wink seines Herrn sitzen. Stanislaw öffnete seiner Tochter die Wagentür und reichte ihr die Hand. Mit glänzenden Augen nahm sie die Details der Fassade wahr, die spitzen Türmchen, die abgerundeten Erker, die Fensterfronten mit der Bleiverglasung, die Schnitzereien an der Holzverkleidung.
    »Ein richtiges kleines Märchenschloss«, sagte sie leise.
    »Wollen wir? Und halt dich an mir fest, mit diesen Absätzen kommst du sonst nirgendwohin.«
    Die hölzernde Doppeltür unter dem Portal wurde geöffnet, und ein Angestellter, der eine Art Butleruniform trug, eilte ihnen entgegen. Er verneigte sich leicht, zuckte jedoch zusammen, als er den riesigen Wolfshund neben ihnen bemerkte. »Sie werden erwartet, bitte folgen Sie mir.«
    Joanna warf Stanislaw einen Seitenblick zu, in dem er eine jähe Scheu zu lesen glaubte. Sein Arm stützte sie, bis sie sicher die oberste Stufe erklommen hatte.
    Am Eingang empfingen sie laute Stimmen, Gelächter und Musik. In einem Vorraum wurden sie gebeten, ihre Garderobe abzugeben. Der Angestellte nahm ihnen die Mäntel ab und verneigte sich erneut. »Mein Name ist Cornel«, sagte er, »ich bin der Verwalter von Herrn Vadim. Falls Sie etwas brauchen, können Sie sich jederzeit an mich wenden. Bitte warten Sie einen Moment, Herr Vadim ist gleich bei Ihnen.«
    Stanislaw nickte, worauf Cornel nach einem weiteren misstrauischen Blick auf Igor durch eine Seitentür verschwand.
    Froh über die kurze Unterbrechung betrachtete Stanislaw seine Tochter von oben bis unten. Ihre rötlichen Locken schimmerten im Widerschein der Deckenbeleuchtung.
    »Sag jetzt nichts«, murmelte sie und reckte leicht das Kinn vor.
    »Ich sag ja nichts.« Beschwichtigend hob er die Hände. »Außer …«
    »Außer was?«
    »Du siehst bezaubernd aus.«
    Sie fiel ihm um den Hals und schmiegte sich an seine Brust. »Wirklich?«
    Sanft schob er sie von sich. Was bedeutete dieser ungewohnte Gefühlsausbruch? »Wirklich.« Und woher hatte sie dieses Kleid, das so gar nicht zu einer Abenteuerreise durch das ländliche Transsylvanien passte? Denn wenn es nicht aus Marbella stammte, musste sie es während ihres Aufenthalts in Bukarest erworben haben.
    Zugegeben, jenes unauffällige »beinahe Schwarz«, das sich zwischen Nachtblau und sehr dunklem Grau bewegte, war zunächst ebenso irreführend wie die langen Ärmel und der hohe, fast bis zum Hals reichende Ausschnitt des Oberteils. Alles andere an diesem Kleid war jedoch pure Verführung. Der enganliegende geraffte Jerseystoff schmiegte sich wie eine zweite Haut um ihre schlanken Formen, und das Rückendekolleté war fast bis zur Taille hinab ausgeschnitten. Eine Handbreit über den Knien, zwischen den dunklen Strümpfen und den hochhackigen Stiefeln, sprang der Saum in plissierten Wildlederstreifen auf, die bei jeder Bewegung wippten.
    »Joanna! Graf Stanislaw!« Strahlend und mit federnden Schritten stieg der Hausherr eine geschwungene Freitreppe hinab, die Arme ausgebreitet wie Schwingen. »Herzlich willkommen!«
    Es war ein

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