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Hymne an Die Nacht

Hymne an Die Nacht

Titel: Hymne an Die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Madsack
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filmreifer Auftritt, wie ihn Radu Nicolescu nicht besser hätte inszenieren können. Vadim versprühte eine einladende Gastlichkeit, der man sich schwer entziehen konnte, doch Stanislaw war klar, dass der Rumäne genau um seine Wirkung wusste. Widerwillig musste er anerkennen, dass hier alles stimmte. Schon mit der Wahl seiner Kleidung hatte Vadim einen sicheren Griff getan. Er trug enge schwarze Hosen, die seine muskulösen, langen Beine betonten, und dazu ein weich fallendes weißes Baumwollhemd, wie es in den ländlichen Gegenden Transsylvaniens üblich war. Die bunt bestickte schwarze Wildlederweste darüber nahm die folkloristischen Elemente zwar auf, für den Blick des Kenners war sie jedoch das Werk eines namhaften Designers. Er sah aus, als sei er direkt einem Mantel-und-Degen-Film entstiegen.
    Kompliment, Vadim, dachte Stanislaw, du weißt, wie es geht.
    Igor hob den Kopf und nahm Witterung auf.
    »Das ist Igor«, erklärte Joanna hastig. »Igor, das ist Vadim.« Sie beugte sich hinunter und tätschelte den struppigen Kopf des Tieres. »Er ist hier der Chef, und du wirst einen guten Eindruck machen, wie du es versprochen hast.«
    Vadim hob belustigt eine Augenbraue. »Sie reden mit Ihrem Hund, als könne er Sie tatsächlich verstehen. Vielleicht hat er das Zeug zum Filmstar, wer weiß.«
    Igor richtete sich zu voller Größe auf, ein dumpfer Laut drang aus seinem Brustkorb. Bevor Joanna etwas sagen konnte, ging Vadim in die Hocke und streckte ganz langsam die Hand aus. Der Wolfshund reckte den Kopf vor und beschnupperte sie gründlich, bis er verhalten zu wedeln begann.
    »Was für ein schönes Tier, Graf«, sagte der Schauspieler lächelnd und erhob sich wieder. »Solange er an Joannas Seite ist, müssen Sie sich um die Sicherheit Ihrer Tochter keine Sorgen machen.«
    Stanislaw nickte.

Sechzehn
    Vadim lehnte an der Tür und betrachtete das Geschehen. Seine Party war schon jetzt gelungen, aber damit hatte er gerechnet. Er wusste, wie man Feste inszenierte, und das beinahe Feudale des Ambientes beeindruckte auch geübte Partygänger. Er entdeckte Joanna in dem Gewühl, die den Kopf zurückwarf und über ein Bonmot von Radu Nicolescu lachte. Sie war offensichtlich begeistert. Bei dem gräflichen Vater sahen die Dinge anders aus, da war ihm von Anfang an ein rauherer Wind entgegengeschlagen.
    Insgesamt fand er aber die Konstellation mit seinen unerwarteten Gästen sehr vielversprechend. Endlich gab es mal eine Abwechslung nach der langen, mühsamen Drehzeit mit immer denselben Leuten. Sein Blick glitt träge zu den langen, weiß gedeckten Tischen hinüber, zu den Kandelabern, von denen das Kerzenwachs auf den Leinenstoff zu tropfen begann, zu den silbernen Platten mit geräuchertem Fisch und Wildbret, zu dem frisch aufgeschnittenen Brot und den üppigen Schalen einheimischer Butter, zu den verschiedenen Saucen, den Käsesorten, den Früchten, die sich auftürmten, zu den silbernen Champagnerkühlern, in denen sich das sanfte Licht der Kerzen spiegelte.
    Radu kam zu ihm herüber. »Wie in einem Fellini-Film«, nuschelte er, »ich liebe solche Tafeln.«
    »Du bist ziemlich betrunken«, stellte Vadim fest und packte gerade noch rechtzeitig ein Ende von Nicolescus geknotetem Seidenschal, bevor der Regisseur das Gleichgewicht verlor.
    »Danke, Vadim, schön, dass du dich so um mich sorgst.« Radus Stimme klang weinerlich, kippte aber unerwartet ins Aggressive. »Warum ist dir das nicht früher eingefallen, als wir diesen verdammten Film zusammen gemacht haben, he?«
    Ein paar Umstehende blickten auf. Einige kicherten, doch als sie sahen, dass ihr Hauptdarsteller beschwichtigend auf seinen Regisseur einredete, verloren sie rasch wieder das Interesse.
    Vadim führte Radu zu einem Sessel und klopfte ihm auf die Schulter. »Beruhige dich, ich lasse dir eine Erfrischung kommen. Erhol dich erst mal.«
    Schnaufend ließ sich Radu nieder. »Ist gut«, sagte er matt.
    Als Vadim sich umdrehte, stand Joanna vor ihm, offenbar hatte sie die Szene beobachtet.
    »Am Ende eines Drehs liegen bei den meisten die Nerven bloß«, erklärte er mit einem Lächeln, »das dürfen Sie nicht so tragisch nehmen.«
    »Ich verstehe«, erwiderte sie ernst, »ich kümmere mich um ihn.« Ohne jedes weitere Wort ging sie zu einem der Tische, häufte etwas Wildbret und Käse auf einen Teller, brachte ihn zu Radu und winkte einen jungen Mann vom Catering heran. »Bitte bringen Sie dem Herrn hier ein großes Glas Mineralwasser«, sagte sie in ebenso

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