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Hymne an Die Nacht

Hymne an Die Nacht

Titel: Hymne an Die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Madsack
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freundlichem wie bestimmtem Ton. »Und etwas Brot und Butter dazu wäre auch schön.« Sie strahlte ihn an, und der Kellner verschwand verdattert.
    Radu dankte ihr mit einem unsicheren Lächeln.
    »Würden Sie so etwas auch für mich tun, Joanna?« Vadim nahm ihren Arm und führte sie zu einem der Erker. »Wären Sie auch mir gegenüber so fürsorglich?« Seine Augen glitzerten im schwachen Licht der Fensternische. »Was für ein aufregendes Kleid«, sagte er leise, »woher haben Sie das? Es ist wie geschaffen für den heutigen Abend.«
    Mit dem Mittelfinger strich er sachte über die Vertiefung zwischen ihren entblößten Schulterblättern. Ein schwaches Zittern ging durch ihren Körper, wie er es erhofft und erwartet hatte, doch dann kam alles anders. Zunächst war es nur eine ganz leichte, zarte Bewegung gewesen, kaum mehr als der Flügelschlag eines Schmetterlings. Dann spürte er es. Nicht sie war es, die jetzt erzitterte, er selbst wurde vom Kopf bis zu den Zehenspitzen von einem Beben erfasst, das erst verebbte, als ihn eine sehr kräftige und sehr kalte Hand schüttelte.
    »Geht es wieder? Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«
    Durch einen Nebel nahm er die Gestalt des Grafen wahr.
    »Ja, danke, aber was ist passiert? Und wo ist Joanna?«
    »Sie hatten offenbar einen leichten Schwächeanfall, und Joanna hat mich zu Hilfe gerufen, zum Glück war ich in der Nähe.«
    Vadim blinzelte und sah sich verstohlen um.
    »Keine Sorge«, sagte Stanislaw, »niemand hat etwas davon mitbekommen. Meine Tochter und ich haben volles Verständnis dafür, dass Sie nach den anstrengenden Dreharbeiten ziemlich erschöpft sind.«
    »Ja, natürlich, vielen Dank. Wo ist sie denn jetzt?«
    »Sie ist mit Igor vor die Tür gegangen, er musste mal raus.«
    »Sie ist da draußen?« Vadim wurde blass. »Wissen Sie nicht, dass es hier in der Umgebung überall Wölfe gibt? Wenn sie hungrig sind, wagen sie sich auch in die Nähe der Häuser.«
    »Machen Sie sich keine Sorgen, Igor wird sie zu schützen wissen«, erwiderte Stanislaw, »er ist furchtlos und stark. Sie kommen sicher gleich zurück.«
    »Wenn Sie meinen«, murmelte Vadim, »aber vielleicht sollte ich mal nachsehen.«
    Stanislaw wandte sich um und machte eine Handbewegung: »Da sind die beiden ja schon wieder!«
    Joanna und Igor erschienen oben auf der Treppe, dicht gefolgt von Maria. Die Rumänin, die ein wenig beschwipst wirkte, winkte Stanislaw zu und deutete mit einer einladenden Geste auf eines der Sofas.
    »Entschuldigen Sie mich«, sagte er zu Vadim. Gleich darauf waren er und Maria in ein lebhaftes Gespräch vertieft, während Igor es sich zu ihren Füßen bequem machte.
    Joanna stand noch immer auf der Türschwelle, und niemand schien auf sie zu achten. Nur Vadim spürte, dass sie unter all diesen Menschen im Raum der Mittelpunkt war, und als er sie ansah, war da wieder dieses Kribbeln entlang seiner Wirbelsäule. Er ging auf sie zu.
    »Möchtest du ein Glas Wein?« Er hatte nicht einmal bemerkt, dass er sie jetzt duzte.
    Wie traumverloren sah sie ihn an, und auch ihr Lächeln kam von weit her. »Ja«, sagte sie, ohne den Blick von ihm zu wenden, »sehr gern.«
    Auf einen Wink von Vadim erschien ein Kellner. »Wünschen Sie französischen Wein oder etwas Hiesiges?«
    »Bitte etwas Hiesiges«, sagte sie bestimmt, »Rotwein aus Transsylvanien.«
    Vadim nahm ihre Hand und zog sie an seine Brust. »Du bist ja eine richtige kleine Patriotin«, sagte er lächelnd. »Dabei ist es für dich das erste Mal, dass du die Heimat deiner Vorfahren kennenlernst. Ich finde das sehr ungewöhnlich. Erklärst du es mir?«
    Sie wollte ihm ihre Hand entziehen, doch er hielt sie fest. »Kneifen gilt nicht, du bist mir eine Antwort schuldig. Vor allem nach dem, was vorhin geschehen ist.«
    Ihre Augen verdunkelten sich, rasch wandte sie den Blick ab. »Du hattest einen Schwächeanfall, weiter nichts.«
    »Einen Schwächeanfall? Bei einem Mann meines Alters und meiner Kondition? Das meinst du nicht im Ernst, Süße.«
    Sie zuckte zusammen. Sein Mund näherte sich ihrem Ohr. »Ich glaube, du bist eine Zauberin«, flüsterte er, »und du kannst das ziemlich gut. Aber ich verstehe mich auch auf mancherlei Künste, davon werde ich dich zu überzeugen wissen.«
    Joanna entwand sich seinem Griff und rieb sich verstohlen das Handgelenk. »Du hast sehr viel Kraft«, murmelte sie, während sie sich rasch vergewisserte, dass Stanislaw noch immer mit dem Rücken zu ihr neben Maria auf dem Sofa saß.
    »Ja«,

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