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Hymne an Die Nacht

Hymne an Die Nacht

Titel: Hymne an Die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Madsack
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erwiderte er ebenso leise, »ich kann kräftig zupacken, aber ich kann auch sehr zart sein.«
    Sie sah in diese saphirblauen Augen und wusste, dass sie sich in deren tiefem Grund verlieren konnte. Sie wollte bleiben und zugleich flüchten, doch bevor einer dieser beiden Impulse die Oberhand behielt, hörte sie von der Treppe Musik.
    Die Flügeltür wurde geöffnet, Cornel erschien auf der Schwelle und verkündete: »Meine Damen und Herren, die ›Dracula Gypsy Band‹!«
    Im selben Moment erlosch die Beleuchtung bis auf die Kerzen in den Kandelabern, und drei Musiker in den traditionellen Gewändern einer Zigeunerkapelle bewegten sich tänzelnd und spielend in den Raum hinein. Joanna erkannte sie sofort, es waren die Musiker aus dem Restaurant in Bukarest. Vadim begann im Rhythmus der Musik zu klatschen, bis die Gäste mit einstimmten. Dann hob er die Hand, worauf die Musiker ihr Spiel unterbrachen, und die Gäste verstummten.
    »Liebe Freunde, liebe Kollegen«, rief er, »wir haben heute eine Arbeit vollendet, die uns alle viel Blut, Schweiß und Tränen gekostet hat. Dieser Ausdruck stammt nicht von mir, sondern von Winston Churchill, aber er trifft auch auf dieses Filmprojekt zu. Wir haben es oft nicht leicht miteinander gehabt, das weiß niemand besser als unser hochverehrter Regisseur Radu Nicolescu – wo ist er? –, ah, da ist er ja. Radu, dir gilt mein ganz besonderer Dank. Bitte einen großen Applaus für Radu!«
    Joanna entdeckte ihn neben Stanislaw, die beiden Männer standen zusammen mit Maria an der Tür, und während die Menge klatschte, hob der Regisseur matt die Hand.
    »… mein Dank gilt ebenso allen anderen, die an diesem Film mitgewirkt haben«, fuhr Vadim fort und deutete lächelnd eine Verneigung an, »Ihr wart sehr geduldig mit mir.«
    Getuschel und Geraune waren zu hören.
    »Bevor ich allen Anwesenden jetzt einen wunderbaren Abend mit den Musikern der ›Dracula Gypsy Band‹ wünsche, möchte ich noch zwei ganz besondere Gäste vorstellen: den Grafen Stanislaw von Lugosy und seine Tochter Joanna. Die Familie hat Wurzeln in Transsylvanien, und jetzt sind die beiden hier auf einer Art Nostalgiereise unterwegs. Ich bitte um einen freundlichen Willkommensapplaus!«
    Verhaltener Beifall kam auf, während Joanna die Blicke der Gäste auf sich spürte. Unschlüssig, wie sie reagieren solle, beugte sie Kopf und Oberkörper leicht nach vorn und deutete ein Lächeln an. Dann stand Stanislaw neben ihr.
    »Vielen Dank, Vadim, wir freuen uns, dass wir an diesem Abend dabei sein dürfen.« Stanislaws Stimme drang, ohne laut zu werden, bis in den letzten Winkel des Gemäuers, so klar, so melodisch und so kraftvoll klang sie. »Wir kennen den Film, dessen Vollendung heute gefeiert wird, zwar noch nicht, aber wir wünschen Ihnen und allen Beteiligten viel Glück dafür.«
    Die weiblichen Gäste starrten ihren Vater an wie ein Wesen von einem anderen Stern, und Joanna sah die Begehrlichkeit in den Augen dieser Frauen. Sie warf Stanislaw einen raschen Blick von der Seite zu. Jede von ihnen konnte sein nächstes Opfer werden, wusste sie, und einen Moment lang wurde sie von einem eisigen Hauch erfasst.
    In diesem Augenblick gab Vadim seinem Butler ein Zeichen, worauf eine weitere Flügeltür geöffnet wurde. Dahinter lag ein Saal, der nur durch den Schein von Kandelabern und Windlichtern in warmes, goldenes Licht getaucht wurde. Unter einer abgehängten Decke wölbte sich ein künstlicher Sternenhimmel, an dem jetzt unzählige winzige Leuchten aufblinkten. Laute des Staunens ertönten. Hinter Joanna flüsterte jemand: »Wie in einem Märchenschloss!«
    Die Musiker der Zigeunerband stimmten eine lebhafte Volksweise an und zogen voraus in den Saal bis zu einer kleinen Bühne in der Mitte. Die Gäste erwachten aus ihrer Verzauberung und folgten.
    »Komm«, Vadim wollte Joannas Hand nehmen, doch sie sah sich suchend um. Sie konnte weder Stanislaw noch Igor entdecken, und auch Maria schien verschwunden.
    »Was ist, meine Schöne?«
    »Ich weiß nicht, ich kann meinen Vater nirgendwo entdecken, und Igor ist auch nicht da.«
    »Joanna, wie alt bist du?«
    »Ich bin dreiundzwanzig. Wieso?« Sie vermied es, ihm in die Augen zu sehen, doch er hob ihr Kinn mit der Spitze seines Zeigefingers an und zwang sie, seinen Blick zu erwidern.
    »Findest du nicht, dass es an der Zeit ist, sich von Papa und Mama etwas mehr zu befreien? Und übrigens, wo ist sie eigentlich, deine Mutter? Weshalb begleitet sie euch nicht? Oder habe

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