Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hymne an Die Nacht

Hymne an Die Nacht

Titel: Hymne an Die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Madsack
Vom Netzwerk:
Vorschriften machen. Und ich werde ihr nur dann einen Rat geben, wenn sie es wünscht. In einem haben Sie jedoch recht, Radu. Sie ist eine junge Frau, die sich nicht so leicht täuschen lässt.«
    »Das mag schon sein, aber gilt das auch dann, wenn Gefühle im Spiel sind? Ihren Andeutungen nach ist sie sehr behütet aufgewachsen, sie hat noch nichts erlebt, worauf sie zurückgreifen kann. Und Vadim ist wie ein Raubtier. Das Spiel von Angriff und scheinbarem Rückzug beherrscht er perfekt. Aber was kann man schon tun? Wir werden sehen.«
    Radu griff zu seinem Bierglas. »Es bereitet mir große Freude, mich mit Ihnen zu unterhalten, Graf Stanislaw. Über Land und Leute hier in Siebenbürgen wissen Sie viel mehr als ich, fast so, als wären Sie in früheren Zeiten dabei gewesen.« Nachdenklich betrachtete er sein Gegenüber. »Das kann nicht nur an Ihrem historischen Interesse liegen und am Studium der Schriften in diesen vielen alten Bibliotheken, von denen Sie mir erzählt haben.« Er beugte sich vor: »Sie sind auch mit einer starken bildhaften Vorstellungskraft begabt, mit einer wirklich ungewöhnlichen Phantasie. Zu schade, dass Sie nicht in der Filmbranche tätig sind, Sie wären ein brillanter Drehbuchschreiber!«
    Stanislaw lächelte. »Sehr schmeichelhaft, Radu, aber wenn überhaupt, würde ich eher die Geschichte meines bisherigen Daseins aufschreiben wollen.«
    »Natürlich«, rief der Rumäne und reckte die Hände empor, »das ist es: Sie schreiben Ihre Autobiografie, und ich verfilme sie dann!«
    »Ich weiß nicht, ob das wirklich so eine gute Idee wäre, die Verfilmung, meine ich«, erwiderte Stanislaw. »Mir lag noch nie etwas daran, eine Person öffentlichen Interesses zu sein.« Was stimmte, doch plötzlich amüsierte ihn diese Wendung ihres Gesprächs. »Das fängt schon beim Casting an. Wer sollte jemand wie mich denn spielen können, wie würden Sie eine solche Rolle besetzen?«
    Der Regisseur legte seine Stirn in tiefe Falten. »Ich hoffe, Sie nehmen mir das nicht übel«, Radu senkte seine Stimme zu einem Wispern, »aber den jungen Stanislaw könnte niemand besser verkörpern als … nun ja, als Vadim.«
    Stanislaw musterte ihn schweigend, bis der Rumäne hastig erklärte: »Es geht nur um den Typus, und dem würde Vadim bei entsprechender Maske perfekt entsprechen.«
    »Und was ist die andere Möglichkeit?«
    »Ganz einfach, Graf«, strahlte Radu ihn an, »die Rolle des reiferen Stanislaw übernehmen Sie dann selbst.«
    Stanislaw stutzte einen Moment, dann brach er in Gelächter aus und beruhigte sich erst, als der Rumäne ihm die Hand auf den Arm legte und ihn besorgt betrachtete.
    »Habe ich etwas so Falsches gesagt?«
    »Nein, Radu«, Stanislaws Stimme klang wieder ganz gelassen, »im Gegenteil. Sie haben vollkommen recht. Was Sie den reiferen Stanislaw nennen, wäre eine Rolle, die wirklich nur ich selbst spielen könnte. Aber so ungern ich Sie enttäusche: meine Biografie würde den Rahmen jeder Spielfilmhandlung sprengen, sie ist unverfilmbar.«
    »Schade«, erwiderte Radu Nicolecscu mit spürbarem Bedauern. »Und wie geht es jetzt weiter, was haben Sie und Joanna vor? Werden Sie vorerst in der Gegend bleiben?«
    Stanislaw schwieg einen Moment. »Das hängt von Joanna ab«, sagte er.
    »Sie würden also noch bleiben, wenn Ihre Tochter es möchte?«
    »Ja, ich denke schon. Und was ist mit Ihnen und der Filmcrew? Brechen Sie alle morgen Ihre Zelte hier ab?«
    Die Augen des Regisseurs zwinkerten. »Wir packen morgen alles zusammen und verschwinden. Ich nehme an, Sie denken an Maria? Obwohl ich ziemlich betrunken war, ist mir nicht entgangen, dass Sie beide sich sehr gut verstanden haben. Maria ist ein feiner Mensch, und ich kenne sie seit längerem, denn wir haben schon bei mehreren Filmprojekten zusammengearbeitet.«
    »Ich mag sie sehr, aber es ist nicht so, wie Sie offenbar denken. Außerdem gibt es eine Frau in meinem Leben.« Er trank den letzten Schluck aus seinem Weinglas. »Eine Frau, die ich sehr liebe«, fügte er leise hinzu.
    »Das beruhigt mich, Graf Stanislaw. Nicht, dass ich Ihnen etwas unterstellen wollte«, sagte Radu schnell, als er Stanislaws hochgezogene Augenbrauen bemerkte, »aber Maria ist noch recht jung, während Sie ein erfahrener Mann sind, der viel in der Welt herumgekommen ist, und …«
    »… und Sie wollen nicht, dass Maria unglücklich wird, wenn sie sich mit einem so unsteten Kerl wie mir einlässt«, vollendete Stanislaw den Satz. Seine Stimme klang

Weitere Kostenlose Bücher