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Hymne an Die Nacht

Hymne an Die Nacht

Titel: Hymne an Die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Madsack
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sanft.
    Der Rumäne sah ihn einen Moment lang forschend an, dann senkte er den Blick.
    »Ich kenne den Film nicht, den Sie gerade abgedreht haben«, sagte Stanislaw, »Sie haben mir lediglich erzählt, dass er im heutigen Rumänien spielt und dass Vadim einen neuen Typus des Vampirs verkörpert. Glauben Sie, dass der Film ein Erfolg werden wird? Und glauben Sie, dass die Menschen noch immer an den alten Mythen interessiert sind, auch wenn sie in neuem Gewand daherkommen? Oder wird es nur an einem Star wie Vadim liegen, wenn die Leute den Film im Kino sehen wollen?«
    Radus gedrungene Statur straffte sich. »Der Mythos ist und bleibt lebendig, daran habe ich nicht den geringsten Zweifel. Das Vampirthema ist nach wie vor ein Faszinosum, nur haben sich die Erscheinung und die Bedeutung des Vampirs im Wandel der Zeit verändert. Aus dem ursprünglich auch äußerlich abstoßenden Monster wie noch in Friedrich Murnaus ›Nosferatu‹ wurde immer mehr der attraktive Verführer, der zwar weiterhin Gefahr, aber immer mehr auch Lust verheißt, und zuletzt gab es diesen Typus des romantischen Helden, der sich in Askese übt und sogar Mitgefühl mit seinem tragischen Geschick erzeugt, Sie wissen, wovon ich spreche?«
    Stanislaw nickte, während sich der Rumäne ereiferte. »Sie haben mich gefragt, ob ich an den Erfolg dieses Films glaube. Ja, ich glaube daran. Ich hatte den besten Darsteller, den es für die Hauptrolle geben konnte, und ich habe als Regisseur mein Herzblut hineingegeben. Dieser Mythos gehört zu den menschlichen Archetypen. Unsere Aufgabe war es, ihm aus unserer künstlerischen Sicht erneut Leben zu verleihen.«
    Erschöpft hielt Radu inne. »Ich möchte jetzt schlafen gehen, ich habe eine anstrengende Zeit hinter mir.«
    Sie standen auf, während Stanislaw dem Barkeeper ein Zeichen gab.
    »Danke für diesen Abend, Graf Stanislaw. Ich bin froh, dass ich Sie kennenlernen durfte. Ich hoffe, wir sehen uns wieder.«
    Der Regisseur wollte ihm die Hand entgegenstrecken, als Stanislaw schon die Arme geöffnet hatte, um ihn an seine Brust zu drücken. Es war nur eine kurze Berührung gewesen, doch hinterher fragte sich Stanislaw, ob Radu wohl die Kälte gespürt hatte, die von seiner Haut ausging.
    »Ich wünsche Ihnen viel Glück, Radu. Geben Sie auf sich acht.«

Zweiundzwanzig
    Vadim fühlte sich nicht wohl. Der Abend mit Joanna war anders verlaufen als erwartet, und schließlich hatte er die Brünette mit dem tiefen Dekolleté und den streng nach hinten frisierten Haaren mit zu sich nach Hause genommen.
    Gegen Morgen war er mit heftigem Herzklopfen aufgewacht und hatte sofort einen Tranquilizer eingeworfen, denn ohne das Beruhigungsmittel hätte er keinen Schlaf mehr gefunden. Die junge Frau, ein Filmsternchen, das sich Serena nannte, war zum Glück verschwunden gewesen.
    Er fühlte sich verkatert, vermutlich lag es an den Entzugssymptomen der Droge, an die er sich immer mehr gewöhnt hatte. Ich sollte damit aufhören, dachte er, oder wenigstens den Konsum reduzieren.
    Es klopfte. »Kann ich reinkommen, Vadim?« Es war Cornel.
    Er brachte das Tablett mit dem Frühstück. Nachdem er die Rollos hochgezogen und das Tablett auf einem kleinen Tisch abgestellt hatte, setzte er sich auf die Bettkante.
    »Was ist?«, fragte Vadim unwillig.
    »Maria hat angerufen. Die Tochter des Grafen von Lugosy hat sie nach deiner Handynummer gefragt, aber Maria wollte sie ihr ohne dein Einverständnis nicht geben. Was soll ich ihr sagen?«
    Vadim fuhr hoch. Cornel stand auf, reichte ihm die Teetasse und ein Croissant. »Stärk dich erst mal, du scheinst es nötig zu haben. Übrigens habe ich Serena heute früh um sieben in ein Taxi gesetzt. Die Nacht war wohl nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatte.«
    »Danke, dass du sie mir vom Leibe geschafft hast.«
    »Das kannst du wörtlich nehmen«, murmelte Cornel. »Also, was soll ich Maria sagen? Möchtest du, dass sie der Komtess deine Mobilnummer gibt?«
    »Komtess? Wirklich, Cornel, niemand würde glauben, dass jemand wie du im Sozialismus aufgewachsen ist. Aber, um deine Frage zu beantworten: richte Maria bitte aus, dass sie meine Handynummer gern an Joanna weitergeben kann.«
    Cornel nickte und ging steifbeinig zur Tür.
    »Sie ist übrigens keine wirkliche Komtess«, rief Vadim ihm nach. »Graf Stanislaw hat Joanna und ihre Mutter noch vor Joannas Geburt verlassen, ihr späterer Stiefvater hat Joanna dann adoptiert.«
    Cornel stutzte, sagte dann aber: »Das spielt keine Rolle, für

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