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Hymne an Die Nacht

Hymne an Die Nacht

Titel: Hymne an Die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Madsack
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war aber nicht das Einzige, was anders war. Vadim, der sonst nach dem Sex am liebsten allein war und sich ausruhte, wollte Joanna nahe bei sich spüren. Er drückte sie enger an sich. Ihr rotblondes Haar fiel in Wellen über ihre nackten Schultern. Als er vorsichtig die Bettdecke hochzog, seufzte sie im Halbschlaf und umschlang seinen Oberkörper mit der freien Hand.
    Um zu vermeiden, dass sie erwachte, blieb er still liegen. Dicht an sie geschmiegt, döste er vor sich hin, und in diesem Zustand zwischen Wachen und Träumen kam ihm ein Gedanke. Diese Frau von Anfang zwanzig, behütet aufgewachsen und vermutlich sexuell kaum erfahren, schien alles zu wissen, was es über einen Mann zu wissen gab.
    Hundert andere vor ihr hatten das Gleiche mit ihm gemacht und ihre erotischen Kunstfertigkeiten an ihm erprobt, doch mit keiner war es so wie mit Joanna gewesen. Sie war beides zugleich, Rausch und Klarheit, eine Droge, die Vergessen brachte und ebenso kristalline Erkenntnis. Darauf war er nicht vorbereitet gewesen. Bisher war es keiner Frau gelungen, Macht über ihn zu erlangen, das hatte er stets erfolgreich vermieden. Joanna hatte das Potenzial, diese Grenze zu überschreiten, eine Vorstellung, die er bedrohlich, aber auch unerwartet erregend fand.
    »Woher nimmst du das?«, flüsterte er tonlos, »wer bist du?« Seine Finger berührten die Sommersprossen auf ihrer zierlichen Nase, glitten über die geschlossenen Augenlider und wanderten zu ihren leicht geöffneten Lippen. Seufzend dehnte sie sich in seiner Umarmung und drehte sich zur Seite.
    »Es tut so gut, dich zu spüren«, murmelte sie und drückte sich der Länge nach an seinen warmen Körper, bis er sich entzog und sich aufsetzte.
    »Was ist?« Ihre Stimme klang weich und etwas verschlafen.
    »Joanna, mein Schatz, es tut mir leid, aber ich habe ein paar Dinge zu erledigen. Soll ich dir etwas zu trinken bringen lassen?«
    »Ein Cappuccino wäre wunderbar«, sagte sie. Sie hatte sich ebenfalls aufgesetzt und die Decke um sich geschlungen.
    Er deutete auf eine verspiegelte Tür. »Hier findest du einen Bademantel. Und im Badezimmerschrank sind ein paar Toilettenartikel, die du benutzen kannst. Ich bin bald zurück.«
    »Vadim, wie spät ist es?«
    Er sah auf seine Armbanduhr. »Kurz nach vier, warum?«
    »Ich muss Stanislaw anrufen, er macht sich sonst Sorgen, wo ich bin.«
    »Dann kannst du ihm gleich sagen, dass du hier übernachtest. Du bleibst doch, oder?«
    »Möchtest du das wirklich?«
    Er schlang die Arme um sie und küsste sie auf die Schulter. »Ja, meine kleine Joanna, das möchte ich wirklich.«
    *
    Mit ausdrucksloser Miene hatte Cornel ihr einen Cappuccino gebracht, den sie an der Schlafzimmertür entgegengenommen hatte. Danach war sie mit der Tasse in der Hand wieder in das Bett ihres Geliebten geschlüpft. Sie schnupperte am Laken und atmete den Geruch ein, den ihre aufgeheizten Körper dort hinterlassen hatten, diese Mischung aus den Sekreten der Lust und ihrem gemeinsamen Schweiß. Ein Hauch von »L’Heure Obscure« verband sich mit dem schwachen Duft eines teuren Rasierwassers.
    Sie trank einen Schluck und stand wieder auf, um ihr Handy zu holen. Sie musste das Gespräch jetzt hinter sich bringen. Er nahm gleich nach dem ersten Läuten ab.
    »Stanislaw, ich bin …«
    »Du bist bei Vadim. Und ich hoffe, du weißt, was du tust.«
    Sie fröstelte beim Klang seiner Stimme. »Ja, ich bin bei Vadim, und ich bleibe auch über Nacht bei ihm.«
    Sie hätte ihm so gern von ihrem inneren Zwiespalt erzählt, nachdem sie Vadim im Restaurant einen Korb gegeben hatte, und von all dem anderen, das sie umtrieb, seitdem sie diesem Mann begegnet war, doch seine Kälte ließ sie verstummen. Bis sie auf einmal wütend wurde. Welches Recht hatte er, so mit ihr zu sprechen?
    »Mach dir um mich mal keine Gedanken«, erwiderte sie in dem Ton, den Stanislaw aus ihrer Sicht verdient hatte.
    Er schwieg eine Weile. »Wie du meinst«, sagte er schließlich. »Ich bleibe hier, bis ich wieder von dir höre.«
    Plötzlich um Versöhnlichkeit bemüht, setzte sie hinzu: »Ich weiß nicht, wie lange ich fortbleibe, aber ich verspreche dir, dass ich mich bald melde.«
    »Nimm dir die Zeit, die du brauchst«, auch seine Stimme hatte jetzt wieder den gewohnt ruhigen Klang, obwohl er ihr nichts vormachen konnte. »Und gib auf dich acht.«
    Halbwegs erleichtert legte sie auf. Es hielt sie nicht länger im Bett. Sie ging ins Bad, duschte ausgiebig und öffnete dann das Schränkchen, wo

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