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Hymne an Die Nacht

Hymne an Die Nacht

Titel: Hymne an Die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Madsack
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er schlüpfen konnte, das war echte Verzweiflung.
    »Liebst du sie, obwohl du inzwischen weißt, wer sie ist?«
    Langsam hob Vadim den Blick. »Ja«, erwiderte er, und seine Stimme klang resigniert, »ich habe das erst erkannt, als ich mich plötzlich so um sie sorgte, aber ich fürchte, es ist zu spät. Ich habe sie zu sehr verletzt, das wird sie mir nicht verzeihen.«
    Cornel verkniff sich die Bemerkung, dass nach seiner Erfahrung Frauen, die liebten, mehr zu verzeihen bereit waren, als ein Mann sich vorstellen konnte.
    Vadim erwachte plötzlich aus seiner Apathie. »Ja«, sagte er unerwartet heftig, »ich liebe sie, egal, wer oder was sie ist, und ich will, dass sie zu mir zurückkommt.«
    »Ich glaube, du verwechselst da etwas«, erwiderte Cornel ruhig. »Nach dem, was geschehen ist, kann Joanna das nicht. Wenn du sie wirklich willst, wirst du sie zurückholen müssen, anders geht es nicht.«
    »Ich verstehe«, Vadims Stimme zitterte leicht. »Aber wie soll ich das machen? Ich weiß nicht mal, was sie und ihr Vater jetzt vorhaben und wie lange die beiden noch hierbleiben werden.«
    »Da ist Phantasie gefragt, ein guter Plan und dann entschlossenes Handeln. Was die Phantasie angeht, ist mir eine Idee gekommen.«
    »Ja?« Vadim hatte sich aufgerichtet und sah Cornel erwartungsvoll an.
    »Hast du nicht erwähnt, dass sich die Hand des Russen bei der Begrüßung ungewöhnlich kalt angefühlt hat?«
    »Ja, aber du meinst doch nicht etwa, dass er …?«
    »Doch, genau das meine ich. Kyrill könnte ebenfalls ein Vampir sein, einer von der wirklich üblen Sorte, kein Gentleman wie Stanislaw. Sein Erscheinen hier muss mit Stanislaw und Joanna zusammenhängen, ich vermute aber, dass es ihm vor allem um Joanna geht.«
    »Oh Gott«, stöhnte Vadim, dem die Panik immer mehr anzumerken war. »Egal, wie, wir müssen etwas unternehmen. Ich kann das nicht selbst machen, mein Gesicht ist zu bekannt. Hör dich im Hotel um, bestich irgendwelche Leute, die etwas wissen könnten, tu, was immer möglich ist, ich bitte dich!«
    Cornel sah Vadim lange in die Augen. Dann ließ er den Motor an und fuhr los.

Einunddreißig
    »Bist du so weit?«, fragte Stanislaw, »hast du alles gepackt?«
    »Ja, gleich«, rief Joanna ihm zu, während er vor ihrer offenen Zimmertür wartete. »Geh schon mal runter und bezahl die Rechnung, ich komme nach.«
    Sie hatte wie im Koma geschlafen, und als sie an diesem Morgen erwacht war, hatte sie eine Weile gebraucht, bis sie die Geschehnisse Stück für Stück rekonstruieren konnte. Durch den tiefen, langen Schlaf fühlte sie sich jetzt zwar ausgeruht und erfrischt, doch mit der Erinnerung war auch der Schmerz zurückgekehrt. Seitdem versuchte sie vergeblich, den Gedanken an Vadim zu verdrängen, immer wieder schob sich sein Bild vor ihr inneres Auge.
    Nach einem späten Frühstück hatte sie lange vor dem Fenster gesessen und in den kleinen Park vor dem Hotel gestarrt, wo sie Stanislaw gerade noch rechtzeitig daran gehindert hatte, über die blonde Rumänin herzufallen. Aber das war alles schon Geschichte, so wie ihre Verbindung mit Vadim.
    Gegen Mittag hatte sie eine SMS von Stanislaw erhalten:
Bitte mach dich zur Abreise bereit, wir müssen hier weg.
    Es war ihr recht, nichts hielt sie mehr an diesem Ort.
     
    Und als sie jetzt mit Igor im Wagen saßen, fragte sie ohne großes Interesse: »Wohin fahren wir?«
    Er hielt den Blick auf die Straße gerichtet, bis er sehr leise sagte: »Wir fahren dorthin, wo vor ein paar hundert Jahren alles begonnen hat.«
    Verwundert sah sie ihn von der Seite an, was meinte er damit? Doch sie fragte nicht weiter nach, in seiner Stimme hatte etwas mitgeschwungen, das sie verstummen ließ. Schweigend fädelten sie sich in den Verkehr ein, bis die Stadt Brasov hinter ihnen lag und sie auf eine holperige Landstraße gelangten.
    An diesem Tag war es nie richtig hell geworden, und das Grau des trüben Nachmittagshimmels ging schon in die abendliche Dämmerung über. Inzwischen trieben leichte Schneeflocken gegen die Windschutzscheibe. Die Umgebung wurde immer ländlicher, und sie kamen nur noch durch vereinzelte kleine Dörfer, in denen kaum Lichter zu sehen waren. Eine fast unwirkliche Stille umfing sie in dieser verlassenen Weite. Im Hintergrund ragten dunkel die Karpaten auf.
    »Wie weit ist es bis zu unserem Ziel?«, fragte Joanna nach einer Weile.
    »Noch eine gute Stunde, dann sind wir da.« Er sah sie von der Seite an. »Wie fühlst du dich?«
    »Ich glaube nicht, dass du

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