Hype: Thriller (German Edition)
Karte funktionierte perfekt.
Vorsichtig schlich er durch den Besucherraum, zog die Mütze tief in die Stirn und drückte sich an der Wand entlang, um der Kamera an der Decke auszuweichen, so gut er konnte. Doch wie bei den meisten anderen Kamerasystemen, auf die er gestoßen war, gab es vermutlich auch hier niemanden, der die Bilder live überwachte, vor allem nicht am Silvesterabend. Morgen früh würden sie sich die Filme ansehen und feststellen können, dass sie einen ungebetenen Gast gehabt hatten, aber da wäre es schon zu spät.
Er blieb an der Rezeptionstheke stehen und beugte sich über das Telefon. Dann hob er den Hörer ab und öffnete das Telefonmenü. Er gab eine Nummer ein und speicherte sie.
Anschließend testete er den Schnellwahlknopf.
»Hallo?«
»Ich bin’s, Nox, ich bin jetzt drinnen, und alles scheint ruhig zu sein.«
»Okay, Chef, verstanden! Sei vorsichtig!«
*
Als sie zum Computer zurückkehrte, war der Eintrag schon eine Minute alt.
Ich habe deinen Bruder, Regina. Komm und hol ihn, wenn du dich traust!
Sie hatte recht gehabt. Der Eröffnungszug war getan. Das Spiel hatte begonnen.
Zeit für ihren Gegenzug. Sie nahm ihr Handy und drückte eine Kurzwahlkombination.
»Ich bin es«, sagte sie schnell, als sich die Person am anderen Ende meldete.
*
So far, so good!
Er streckte den Kopf in den offenen Raum hinter der Rezeption. Das Büro lag vollkommen verlassen da, doch im Glaskäfig weiter hinten konnte er einige Bildschirme flimmern sehen. Die Nachtschicht im Filter, vielleicht zwei oder drei Personen, die ihm aber eigentlich keine großen Sorgen machten.
Selbst wenn er ihnen über den Weg laufen sollte, würden sie ihn sicher nur freundlich grüßen und auf die Passierkarte schielen, die er an seinem Gürtel befestigt hatte. Dabei würden sie auf keinen Fall bemerken, dass das Foto nicht seinem Träger entsprach.
Die Gruppenchefs waren dagegen eine ganz andere Hausnummer. Rilke arbeitete an Silvester nicht, daran erinnerte er sich noch aus der Zeit, als sie zusammen gewesen waren, was bedeutete, dass vermutlich Beens, Dejan, Stoffe oder Frank die Nachtschicht hatten. Und er war nicht scharf darauf, einem von ihnen zu begegnen.
Er bog nach links ab und betrat einen dunklen Korridor, der zu den drei anderen Abteilungen führte.
In dem Moment, als er sich der Trollgrube näherte, sah er, wie die Tür geöffnet wurde. Blitzschnell hechtete er hinter einen der Schränke, die an der Wand standen.
»… okay, wir sehen uns gleich wieder, ich muss nur kurz was futtern«, hörte er Frank zu jemandem dort drinnen sagen.
So ein Mist!
Er war gerade an der Tür zur Übernachtungslounge vorbeigekommen, was zwangsläufig bedeutete, dass Frank nun an ihm vorbeigehen würde.
HP kauerte sich auf den Boden und drückte sich gegen den Schrank. Er hörte Schritte näher kommen und versuchte, sich so klein wie möglich zu machen. Plötzlich wurde das Deckenlicht angeschaltet, und jemand stieß einen lauten Pfiff aus.
*
»Gut, abgemacht.«
Sie beendete das Gespräch und legte das Handy auf den Küchentisch.
Dann ging sie in den Flur und zog sich langsam an.
Diesmal ließ sie den Teleskopschlagstock im Holster und befestigte es am Gürtel über ihrem Gesäß. Sie war bereit für MayBeys nächsten Zug.
Wenn er derjenige war, den sie in Verdacht hatte, würde er vermutlich nicht lange auf sich warten lassen.
*
»Frank!«
»Ja, was is’ denn?«, hörte er Franks Stimme, sicher nur wenige Meter entfernt.
»Die Datenbank hat mich gerade rausgeworfen, kannst du mich wieder einloggen?«
»Klar«, antwortete Frank mit einem Seufzer.
Dann Schritte, die sich entfernten.
Die Tür zur Trollgrube schlug rasselnd wieder zu, und es wurde still.
HP lugte vorsichtig hinter dem Schrank hervor. Der Flur war leer. Erleichtert atmete er durch. Das war knapp gewesen, verdammt knappt sogar …
Aber jetzt hatte er ein Problem.
Er hatte damit gerechnet, dass er sich durch den Notausgang in der Trollgrube Zutritt zur Feuertreppe würde verschaffen können, aber dieser Weg war ihm nun versperrt. Die Treppe war die beste Möglichkeit gewesen, zu Philips Büro hinaufzugelangen, wo sich der Serverraum befand. Jetzt musste er eine neue Möglichkeit finden, dorthin zu kommen.
Er hastete zur Rezeption zurück, tauchte hinter der Theke ab und zog die Zeichnung hervor, die er aus dem Feuermelderkasten im Erdgeschoss geklaut hatte.
Die Brandtreppe war der Fluchtweg für sämtliche neunzehn Stockwerke und
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