Hype: Thriller (German Edition)
bohre sich ein unbekannter Blick in ihren Rücken, der ihr das Gefühl gab … etwas ausgesetzt zu sein.
Das lag ganz sicher auch an der SMS:
Ich behalte dich im Auge – nur damit du es weißt!
*
Als er mit Rilke von ihrer langen Mittagspause zurückkam, schien etwas passiert zu sein. Unruhe lag in der Luft, und im sonst so stillen Büro herrschte lautes Stimmengewirr. Philip, Eliza Poole und eine Frau, die HP nicht kannte, standen in dem offenen Bereich an der Rezeption und unterhielten sich. Leute aus den verschiedenen Abteilungen schienen sich nach und nach um sie zu versammeln.
Kurz bildete HP sich ein, dass die Aufregung ihm galt, dass seine Maskerade diesmal wirklich aufgeflogen war und man ihn nun vor der gesamten Mannschaft bloßstellen würde. Sein Pulsschlag raste in die Höhe, und er lugte gerade in Richtung Ausgang, als Rilke ihn vorsichtig am Arm zupfte.
»Das dort ist Monika Gregerson, Annas Schwester«, flüsterte sie so nah an seinem Ohr, dass seine Paranoia sich sofort in Luft auflöste. »Sie hat eine Weile bei uns gearbeitet, aber vor ein paar Jahren aufgehört.«
»Kommt bitte alle mal hier herüber. Wir haben euch etwas Wichtiges zu sagen …« Eliza Pooles Stimme überschlug sich fast, so schrill war sie.
Die ungefähr vierzig Personen, die sich im Büro befanden, bildeten langsam einen kleinen Kreis um das Trio. Eliza Poole fischte ein schon häufig benutztes Taschentuch aus ihrer Anzugstasche und schnäuzte sich vernehmlich. Sie sah mitgenommen aus und hatte ganz rote Augen, als hätte sie geweint.
Plötzlich ahnte HP, was kommen würde.
Philip Argus hob die Hand, und es wurde sofort still.
»Für all diejenigen, die Monika nicht kennen: Sie ist Annas Schwester und gut vertraut mit dem, was wir bei ArgusEye machen …«
Er deutete auf die Frau neben sich.
HP erkannte die Ähnlichkeit sofort. Das helle Haar, die Spitznase und der wache Blick waren ungefähr dieselben, aber diese Frau war entweder die ältere Schwester oder hatte keinen so guten plastischen Chirurgen wie Anna. Die dunklen Ringe unter ihren Augen ließen sie noch älter aussehen. Außerdem trug sie viel legerere Kleidung, einen schwarzen Rock und eine dazu passende Bluse, die fast bis zum Hals zugeknöpft war. Offenbar handelte es sich hier um die keuschere Schwester in der Familie Argus.
»Leider haben wir traurige Nachrichten …«
Philip Argus machte eine Kunstpause, die völlig unnötig war, da er bereits die Aufmerksamkeit aller hatte.
»Wie ihr wisst, hat sich Anna ein Sabbath-Jahr genommen«, fuhr er fort, »sie wollte um die Welt reisen. Leider ist sie das Opfer eines tragischen Unfalls geworden.«
»Geht es ihr gut?«
Die Frage kam von Rilke, und soweit HP es beurteilen konnte, sah sie ernsthaft besorgt aus.
Philip Argus wartete kurz mit der Antwort, und als er schließlich den Mund öffnete, hatten alle bereits verstanden, was er sagen würde:
»Anna ist tot.«
*
Inzwischen war sie alle Beiträge auf dem Forum der Säulen der Gesellschaft durchgegangen. Die Seite war seit etwa einem halben Jahr aktiv, Rebeccas Vorhaben hatte daher eine Weile in Anspruch genommen, aber das Worddokument, das sie anschließend mit ihren Beobachtungen gefüllt hatte, beinhaltete doch einiges Brauchbares.
MayBey war fast von Anfang an mit dabei. Der erste Beitrag wurde von MayBey nur eine Woche nach der Gründung der Seite veröffentlicht, und seither waren die Kommentare und vermutlich auch die Leser ständig mehr geworden.
MayBey startete immer nur neue Diskussionen – das war alles. Er oder sie lehnte sich anschließend zurück und überließ das Feld anderen Personen, ohne weiter darauf einzugehen oder deren Beiträge zu kommentieren. Sobald eine Diskussion abzuklingen begann, wurde eine neue losgetreten, und so ging es immer weiter.
Es gab keine direkt erkennbaren Muster, was Zeit und Datum der Beiträge betraf. Alle Tage der Woche und die meisten Tageszeiten waren vertreten – was im Übrigen recht gut zu einer Person passte, die willkürlich aus einer Liste wählte. Die Ereignisse und Personen, die beschrieben wurden, ließen vermuten, dass MayBey recht viel Erfahrung hatte, und dass er oder sie wahrscheinlich längere Zeit bei der Polizei gearbeitet hatte. Vermutlich war MayBey im Streifendienst tätig, aber obwohl Rebecca sich dessen anfangs ganz sicher gewesen war, hielt sie es nun nur noch für wahrscheinlich. Die beschriebenen Fälle waren gewöhnlich Aufgabe der Ordnungspolizei, aber auch bei der
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