Hype: Thriller (German Edition)
sind sogar so bekannt, dass sie im Fernsehen auftreten und von Gala zu Gala rennen.«
»Wie die eine, die Dings … wie heißt sie denn gleich … die ständig mit der anderen rumzickt …« HP kramte fieberhaft in seinem Gedächtnis nach dem Namen, kam aber nicht darauf.
Halil malte mit dem Finger einen Haken in die Luft – dann noch einen. »Sie ist im Boot – und ihre Gegnerin! Beide gehören uns, und der Streit bringt ihnen nur mehr Leser. Über eine Million Klicks pro Woche per Blog, und keines der Mädels hat den leisesten Schimmer, dass sie in Wirklichkeit für ein und dieselbe Firma arbeiten … Verdammt gut, oder?«
*
Nach fünfundvierzig Minuten Intervalltraining auf dem Crosstrainer rann ihr der Schweiß den Rücken hinab. Sie konnte den Geschmack von Milchsäure fast schon auf der Zunge spüren, wollte aber nicht aufhören, bevor sie eine volle Stunde trainiert hatte. Sie wusste, dass sie sich richtig auspowern musste, damit sie an diesem Abend überhaupt schlafen konnte.
MayBey hatte sie früher nie erwähnt, erst in den Tagen nach Darfur. Und jetzt war sie plötzlich das Gesprächsthema Nummer eins. Als sie das letzte Mal auf der Seite nachgesehen hatte, gab es dreiundzwanzig Kommentare. Dreiundzwanzig »Kollegen«, die überzeugt oder immerhin ziemlich überzeugt davon waren, dass sie sich hochgevögelt hatte. Dass sie mit jedem ins Bett hüpfte, wenn es ihrer Karriere nutzte. Dreiundzwanzig Leute bisher, und sicherlich noch viel mehr, die das Ganze grinsend am Computer gelesen hatten.
Wie konnten halbwegs logisch denkende Individuen Zeit darauf verwenden, sie und ihr Privatleben durch den Dreck zu ziehen? Was trieb sie an? Hass, Eifersucht, Missgunst oder Neid? Da läge zumindest ein bisschen Logik.
Aber sie vermutete, dass es schlimmer war als das. Dass der Motor für die meisten Hassattacken im Netz nicht große und starke Gefühle waren, sondern hauptsächlich reine Langeweile. Etwas, das sie nur taten, weil sie die Möglichkeit dazu hatten. Zum Zeitvertreib.
Warum hatte MayBey angefangen, sich für sie zu interessieren? Die anderen Leute, die er oder sie für gewöhnlich angriff, kamen nur ein paar Tage lang vor, meist wie vorübergehende Nebenfiguren, die eine gute Geschichte etwas würzten. MayBey war der- oder diejenige, der oder die erzählte, und die Leser konnten zwar Kommentare abliefern, wurden aber nie gebeten, irgendeine Information beizutragen. Im Falle Regina Rechtens war es dagegen anders.
MayBey hatte zuerst die ganze Geschichte von ihrer Suspendierung dargelegt und dann die anderen um weitere Informationen gebeten. Und auch der letzte Beitrag war auf diese Weise aufgebaut. Je länger Rebecca darüber nachdachte, desto überzeugter war sie davon, dass MayBey wusste, dass sie jedes Wort las. Und deswegen hatte er oder sie die Vorgehensweise geändert hatte und war persönlicher geworden. Eine weitere, äußerst beunruhigende Sache war das Gerede von einem »Liebesnest« in Södermalm. Natürlich konnte MayBey das nur erfunden und zufällig ins Schwarze getroffen haben. Aber wenn es nicht so war, hatte es jemand ganz offensichtlich ausgeplaudert. Und da gab es nur einen Kandidaten. Es sei denn, ihr wäre jemand gefolgt …
Das Piepen des Crosstrainers unterbrach ihren Gedankenstrom. Die Intervalleinheit war vorüber, und Rebecca hatte noch ein paar Minuten, um sich langsam zu erholen. Sie senkte das Kinn auf die Brust, holte ein paarmal tief Luft und bemerkte daher nicht, wie der Mann den Raum betrat.
*
»Hör zu, Mange, alles dreht sich darum, derjenige zu sein, der den Trend setzt! Es gibt Tausende von Bloggern, und die meisten schielen die ganze Zeit aufeinander und vor allem auf die großen Namen. In meinen Augen ist das Internet ein riesiger Schulhof. Fast alle wollen mit den coolen Typen abhängen und bei den richtigen Anlässen gesehen werden. Wir müssen also nicht alles kontrollieren, sondern nur eine geringe Anzahl von Leuten, die ausreichend glaubwürdig und hip ist, um den Buzz in die Richtung zu leiten, die unseren Kunden passt.«
Rilke nahm noch einen Schluck aus der Coladose.
»Wir beginnen mit einem Frontblog, hängen ein paar Anonyme dran, die ihn unterstützen, und dann hoffen wir, dass die anderen anbeißen. Alle Blogger folgen uns natürlich nicht, aber das ist auch nicht nötig. Es gibt eine kritische Masse, einen Punkt, an dem das, was viele sagen, plötzlich zu einer allgemeinen Wahrheit wird. Und irgendwo dort draußen sitzen Abertausende von
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