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Hypnose

Hypnose

Titel: Hypnose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Beerwald
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Worte sie an Evelyn richten sollte.
    Annabels Schwester kam ihr zuvor. »Seit einer Viertelstunde gehe ich nun schon vor der Klinik auf und ab. Ich weiß einfach nicht, ob ich meinem Vater die Wahrheit sagen soll. Er wird mir anmerken, dass etwas los ist, und so lange nachbohren, bis ich es ihm sage. So war er schon immer, und seit er krank ist, wird er noch unnachgiebiger und hartnäckiger … Weißt du denn schon was von Peter über den Tathergang?«
    »Heute Abend will er mir von den Ergebnissen der Spurensicherung berichten. Es ist ja auch vieles noch nicht ausgewertet, sodass noch keine Rückschlüsse gezogen werden können. Aber es wird sich sicher alles aufklären.« Es war natürlich pure Hoffnung, auf die sich ihr Zweckoptimismus gründete. Aber Hoffnung worauf? Dass Annabel nicht die Täterin war, obwohl sie ein Geständnis abgelegt hatte? Dass alles nur ein böser Traum war, aus dem sie bald aufwachen würde? Wohl kaum.
    Irgendetwas hatte sie Evelyn noch fragen wollen. Angestrengt überlegte sie. Es hatte nichts mit Annabel und der Tat zu tun, sondern mit ihr selbst. Unvermittelt, mit einem tiefen, untrüglichen Schmerz spürte Inka, dass es um ihr tot geborenes Baby ging. Aber was war es? Es musste ihr doch einfallen, Himmel noch mal!
    »Weshalb schüttelst du den Kopf?«, fragte Evelyn. »Denkst du, ich sollte Vater besser nicht besuchen? Aber er braucht diesen Rhythmus, diese Verlässlichkeit. Alles andere könnte einen erneuten Schub bei ihm auslösen.«
    »Doch, doch, natürlich solltest du zu ihm gehen«, sagte Inka abwesend. »Er hat es verdient.«
    Vor ihr geistiges Auge schob sich die Gestalt von Doktor Brunner. Für diesen Mann, er musste mittlerweile um die fünfundsechzig sein, hatte sie immer größte Bewunderung empfunden, auch wenn er mitunter streng war, und er war so etwas wie ein Vaterersatz für sie gewesen, weil ihr eigener Vater die Familie verlassen hatte, als Inka gerade drei Jahre alt gewesen war. Kurz vor ihrem Abitur war er gestorben, ohne dass sie ihn je wiedergesehen hatte. Als Jugendliche hatte sie auf Eigeninitiative seine Adresse herausgefunden, aber er hatte ihr am Telefon unmissverständlich erklärt, dass er mit seiner Vergangenheit und damit auch mit ihr nichts zu tun haben wollte, weil seine zweite Frau nichts von Inkas Existenz wusste. Statt mit einem Vater war sie mit einer Lücke in sich aufgewachsen, die sie heute noch schmerzlich spürte, wenn sie in ihrem Leben mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Besonders nach der Totgeburt hatte sie verstärkt an ihn gedacht und überlegt, wie ein Vater, der seine Rolle ernst nimmt, seine Tochter in einer derartigen Situation wohl getröstet hätte.
    Doktor Brunner war mittags in Kindertagen immer da gewesen. Jedes Mal, wenn sie mit Annabel aus der Schule kam, saß er in seiner Pause mit am Esstisch, und es gab Nudeln, so oft sie nur wollten. Gekocht hatte die Haushälterin Herta, weil Annabels Mutter nicht mehr lebte. Sie war gemeinsam mit dem ungeborenen dritten Kind an den Folgen einer nicht rechtzeitig entdeckten Schwangerschaftsvergiftung gestorben. Da war Evelyn vierzehn und Annabel vier Jahre alt gewesen. Inka konnte sich daran erinnern, dass dieses tragisches Erlebnis immer wie ein Fluch auf der Familie gelegen hatte. Doktor Brunner hatte sich schwerste Vorwürfe gemacht, als Arzt die Warnsymptome nicht rechtzeitig richtig gedeutet zu haben und Annabel hatte lange Zeit sehr unter dem frühen Verlust ihrer Mutter gelitten.
    Evelyn begann nach dem Abitur ihr Medizinstudium in München mit dem Ziel, Frauenärztin werden zu wollen. Nach dem Tod seiner Frau hatte Brunner nie mehr geheiratet und in den späteren Jahren das Kunststück fertiggebracht, eine Klinik für Psychotherapie mit Schwerpunkt Hypnose aufzubauen, zahllosen psychisch Kranken wieder ein gesundes Leben zu ermöglichen und seinen beiden Töchtern ein fürsorglicher und liebevoller alleinerziehender Vater zu sein. Und dieser Mann war nun selbst ein Opfer des Wahnsinns geworden. Grausam, mit welcher Ironie das Schicksal manchmal zuschlug.
    »Inka«, holte sie Evelyn in die Gegenwart zurück, »wärst du eventuell bereit mitzukommen? Vielleicht bringt ihn dein Besuch auf andere Gedanken. Außerdem habe ich gemerkt, dass ich jetzt nicht allein sein kann«, gab sie zu.
    »Das kann ich gut verstehen«, sagte Inka. »Ich bin froh, wenn ich dir irgendwie helfen kann. Ich komme gern mit.«
    »Danke. Dann lass uns zum Klinikeingang gehen. Bis dorthin erkläre ich dir

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