Hypnose
hastete zwischen den Büchern hindurch und zeigte ihrer Freundin den Fund.
»Da muss doch irgendwo ein Zettel drin sein – eine Nachricht, eine Botschaft, irgendetwas!« Inka packte das Buch mit einem Griff an der Bindung und schüttelte es heftig. Mit allem hatte sie gerechnet, nur nicht damit, dass sie gar nichts fanden.
»Und jetzt?«, fragte Rebecca.
Mit der Erkenntnis, dass der Spuk so schnell kein Ende nehmen würde, machte sich Hilflosigkeit in Inka breit.
»Vielleicht ein Zahlendreher?«, überlegte Rebecca. »43 statt 3 4 ? Schauen wir zur Sicherheit schnell noch nach.«
Während Rebecca loslief, blieb Inka noch einen Moment gedankenverloren stehen. Vielleicht war dieses Rätsel eben doch nicht so einfach zu lösen. Sie schlug das Buch noch einmal auf. Auf dem Vorsatzblatt stand etwas mit Bleistift geschrieben. Wie eine Notiz. Elen a / Leander.
»Inka, komm!«, hörte sie Rebecca hinter der nächsten Wegbiegung, die noch tiefer ins Magazin führte.
»Warte, gleich!«, rief sie zurück. Die Buchstaben waren mehrfach nachgezogen, es machte den Eindruck, als hätte jemand lange darüber nachgedacht und als wäre schließlich die Entscheidung zugunsten dieser Namen gefallen.
Inka hatte sich schon in den ersten Wochen der Schwangerschaft einen Namen für das Baby aussuchen wollen, als das Geschlecht noch nicht einmal feststellbar gewesen war. Peter fand den Zeitpunkt, einen Namen für das ungeborene Kind auszusuchen, ohnehin reichlich früh und hatte sich immer nur kommentarlos ihre Vorschläge angehört. Er hatte sein Unverständnis zwar in freundliche Worte verpackt, aber es hatte sie doch verletzt. Ihre Freundinnen hatten sie getröstet, dass Männer bei solchen Dingen häufig überfordert reagierten, es aber gar nicht so meinten. Annabel hatte sich schließlich ein Wochenende lang mit ihr hingesetzt und die gesamten Namen in genau diesem Buch von vorne bis hinten diskutiert, bis sie endlich mit den Namen Laura oder Jonas zu einer Entscheidung gekommen war. Sie war Annabel für diesen Beistand sehr dankbar gewesen.
Wumm.
Etwas war mit voller Wucht auf ihren Rücken gedonnert. Inka fiel zu Boden. Geistesgegenwärtig hatte sie den Sturz mit den Händen abgefangen, dafür waren ihre Arme nun unter ihrem Körper eingeklemmt. Die Taschenlampe rollte davon. Sie spürte, wie ihre Rippen gegen den Betonboden gepresst wurden. Sie hörte ein Knacken. Vielleicht das Handy in ihrer Tasche, vielleicht auch ein Knochen. Inka versuchte zu atmen und brachte nur ein Röcheln zustande. Im ersten Augenblick glaubte sie, ein enormer Gegenstand sei von oben auf sie heruntergefallen, aber dann fühlte sie deutlich, dass jemand auf ihrem Rücken kniete.
Auf einmal sah sie nichts mehr. Nur noch Schwarz. Ein Schal wurde ihr aufs Gesicht gepresst. Sie spürte den Wollstoff. Das Atmen fiel ihr nun noch schwerer. Aber sie roch etwas. Parfüm. Ein weiblicher Duft. Aber das war nicht Rebecca.
Inka wollte schreien, aber es kam nur ein seltsam erstickter Laut aus ihrer Kehle. Irgendwie musste sie sich doch wehren. Vielleicht mit den Beinen? Sie strampelte und schlug mit den Unterschenkeln, um ihren Angreifer zu treffen.
»Hältst du wohl still!« Ein scharfer, zischender Tonfall, gedämpft durch den Wollstoff über ihrem Ohr. Dennoch unverkennbar weiblich. Oder verstellte der Mann seine Stimme?
Inka wand sich unter dem Druck der Knie in ihrem Rücken. »Luft!«, stieß sie verzweifelt hervor und wusste nicht, ob das überhaupt verständlich geklungen hatte.
»Stillhalten!«, zischte die Stimme abermals. Viel zu leise, als dass es die Lüftungsanlage übertönt hätte und Rebecca darauf aufmerksam hätte werden können. Für einen irritierenden Augenblick lang ließ der Druck auf ihren Brustkorb nach. Begierig sog Inka die Luft ein, und dann donnerten die Knie wieder in ihren Rücken. Das Gewicht lag tonnenschwer in ihrem Kreuz und presste die letzte Luft aus ihr heraus. Es kribbelte merkwürdig in ihren Lungen, so als würden dort Millionen von Bläschen platzen, wie kleine Explosionen, die als Fünkchen vor ihren Augen tanzten.
Inka hatte geglaubt, nichts könnte den Schmerz einer Geburt übertreffen, aber das hier war noch grauenvoller. Als ob der Angreifer ihre Seele aus dem Körper pressen wollte.
Trotz der Todesangst versuchte Inka mit aller Macht, ihre Sinne zusammenzuhalten. Das war im Augenblick ihre einzige Chance. Wenn sie jetzt ohnmächtig werden würde, hatte sie verloren.
»Glaubst du, es wäre so einfach,
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