Hypnose
einer anderen Welt hatten ihr beim Warten auf Peter Ablenkung verschafft und die Angst vor dem Alleinsein etwas gemildert – sie war sogar so weit zur Ruhe gekommen, dass sie eingeschlafen war.
Inka rollte sich auf die Seite, stemmte sich mit dem Unterarm hoch und angelte nach ihrem Handy auf dem Couchtisch. Keine Nachricht, kein Anruf. Wovon war sie wach geworden? War Peter nach Hause gekommen? Draußen war es aber noch nicht richtig dunkel, und Peter hatte gesagt, es würde spät werden. Wie sie seinen Spätdienst hasste! Selbst auferlegt oder nicht …
Der Verstand sagte ihr, dass alles in Ordnung war, trotzdem machte sie sich innerlich auf einen Übergriff gefasst. Ihre Aufmerksamkeit war auf jedes mögliche fremde Geräusch gerichtet. Wie lange wurde sie noch alleine mit dieser Angst fertig? Ihre Handflächen waren feucht, ein feines Kribbeln lief über ihre Arme. Sie schloss ihre Hände zu Fäusten, um ihre geballte Kraft zu spüren.
»Peter, bist du da?« Oder hatte sie sich das Geräusch nur eingebildet, von dem sie aufgewacht war? Sie stand auf und ging durchs Wohnzimmer Richtung Flur. Keine Flucht diesmal , sagte sich Inka. Nicht kopflos davonrennen. Eigentlich war sie ganz gut im Umgang mit der Ungewissheit – das fing bei ihrer eigenen freiberuflichen Arbeit an, bei der sie nie wusste, wann der nächste gute Auftrag kam, und hörte bei Peters Dienstzeiten auf, die kaum ein geregeltes Partnerschaftsleben zuließen. Aber das hier war etwas anderes. Das war keine wirkliche Ungewissheit. Es war vielmehr das Wissen, dass das Böse auf sie lauerte, irgendwo. Es war schon da, sie wusste nur nicht, wann es zuschlagen würde.
In der Küche brannte schwaches Licht. Peter musste hier sein! Sie hatte definitiv keine Lampe brennen lassen, und er war es, der immer die indirekte Beleuchtung der Dunstabzugshaube anstelle der Deckenlampe anmachte, weil er damit Strom sparen wollte – und dann vergaß das Licht auszuschalten. Sie schüttelte den Kopf. Warum hatte er kein Hallo gesagt? Sie hatte ihn doch darum gebeten!
»Peter«, rief sie erneut. Keine Antwort.
Und wenn ihr jemand eine Falle stellte? Jemand, der die Abläufe und Gewohnheiten im Hause Mayer sehr gut beobachtet hatte? Womöglich der Spieler, der wieder eine Überraschung für sie arrangiert hatte, dieses Mal in ihrem Haus? Sie schauderte.
Da entdeckte sie einen Zettel, der mit einem Souvenir-Magneten an den Kühlschrank gepinnt war. In Peters gestochener Handschrift stand darauf: Ich war um halb neun hier. Du hast so fest geschlafen. Wollte dich nicht wecken. Im Kühlschrank steht dein Leibgericht. Iss bitte alles auf, mir zuliebe! Muss noch mal weg, bin leider nicht vor 23 Uhr zurück. Kuss, Peter.
Halb neun. Demnach hatte sie Peter nicht kommen, sondern nur wieder gehen gehört. Also ist alles in Ordnung, nur dass er eben noch mal weg musste. Sie musste ihre Ängste dringend wieder in den Griff bekommen. Würde es ihr helfen, noch einmal mit Peter darüber zu reden? Nur wann? Sein Job ließ ihm kaum Zeit, und sie wollte ihm bei seiner Belastung nicht auch noch mehr Sorgen um sie aufbürden. Das hatte sie im vergangenen halben Jahr genug getan. Und was sollte Peter anderes tun, als sie in den Arm zu nehmen? Das linderte zwar für einen Moment die Ängste, beseitigte aber nicht deren Ursache. Es war höchs te Zeit, dass sie aktiv wurde und etwas dagegen unter nahm. Ein Grund mehr, die Therapieform, die sie sich aus gesucht hatte, weiterzuverfolgen, auch wenn Peter nicht unbedingt für Hypnose war. Aber die Entscheidung, was ihr guttat, um seelisch wieder ganz gesund zu werden, lag alleine bei ihr.
Ihr Handy klingelte in der Hosentasche. Sie trug es nun wieder am Körper, die Situation erforderte es. Inka schaute aufs Display. Evelyn .
»Ja, hallo?«
»Inka, ich bin es, Evelyn. Entschuldige, hast du schon geschlafen?«
»Nein, nein. Wie geht’s dir?«
»Ich bin fix und fertig«, sagte Evelyn. »Ich habe mich bis auf Weiteres in der Praxis krank gemeldet. In diesem Zustand kann ich unmöglich arbeiten. Hast du mit Peter gesprochen? Hat er dir etwas über den Stand der Ermittlungen gesagt?«
Inka lehnte sich gegen die Arbeitsplatte. »Nein, er ist noch unterwegs. Aber ich habe mit seinem Kollegen gesprochen, du weißt schon, mit dem, der bei unserem Besuch im Gefängnis dabei war. Laut Obduktionsprotokoll ist Jannis per DNA eindeutig identifiziert, und sein Leichnam liegt in der Rechtsmedizin in Tübingen.«
»Dann kann es also keinen Zweifel
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