Hypnose
geben.«
Inka entdeckte Brotkrümel auf der Arbeitsplatte, die Peter dort hinterlassen hatte, und wischte sie weg. »Mein Bauchgefühl sagt etwas anderes. Ich muss Jannis mit eigenen Augen sehen, ehe ich Annabels Verhalten mit gutem Gewissen irgendwelchen psychischen Problemen zuordnen kann.«
»Du willst nach Tübingen?«
»Ja, ich habe morgen um 17 Uhr einen Termin in der Rechtsmedizin.«
»Wow, das hat man dir ermöglicht?«
»Peters Kollege hat gute Kontakte.«
»Bist du sicher, dass du dir das antun willst, Inka? Ich musste im Rahmen meines Studiums in die Rechtsmedizin, und ich sag dir, der Leichengeruch hängt mir heute noch nach. Fühlst du dich wirklich stark genug dafür?«
»Ja«, sagte Inka entschieden und schüttelte die Brotkrümel aus dem Lappen ins Spülbecken.
»Ich glaube vielmehr, meine Schwester hat psychische Probleme.«
»Na ja, vielleicht im Moment, aber zu dem Mord musste sie ja erst mal fähig sein. Und auf meiner Party war sie psychisch definitiv in Ordnung – ich kenne doch noch meine Freundin!«
Evelyn seufzte. »Wir sind uns alle einig, dass Annabel kein Motiv hatte, Jannis umzubringen, geschweige denn zu einem Mord fähig wäre.«
Inka pfefferte den Lappen ins Spülbecken. »Warum hat sie dann ein Geständnis abgelegt? Hat jemand sie dazu gezwungen? Evelyn, wann hattest du vor dem Mord zuletzt Kontakt mit deiner Schwester?«
»Das wollte ein Kollege von Peter auch schon wissen. Ich habe kurz nach Mitternacht noch mit ihr telefoniert, weil sie völlig vergessen hat, auf meine SMS zu antworten, und ich musste ja wissen, ob sie am nächsten Tag Zeit hat, Vater zu besuchen. Sie klang völlig normal, nur müde. Sie sagte, sie würde jetzt mit Jannis noch ein letztes Glas Wein trinken und dann schlafen gehen. Am nächsten Morgen bin ich auf dem Weg in die Klinik bei ihr vorbeigefahren, um ihr ein paar Dinge für Vater mitzugeben. Da hat mich die Polizei an der Wohnungstür empfangen …« Ihre Stimme stockte. »Den Rest kennst du ja … Aber warum ich dich eigentlich anrufe, Inka … Morgen ist doch Freitag, und Annabel wäre mit dem Besuch bei Vater dran. Was soll ich ihm denn nur sagen? Ich fühle mich einfach komplett überfordert, Inka …«
»Ich könnte doch für dich hingehen«, schlug Inka vor, weil sie genau das ohnehin vorhatte. Aber das sagte sie Evelyn natürlich nicht. Sie wollte alleine mit Brunner reden, um herauszufinden, wie realistisch seine Warnung tatsächlich war. »Dein Vater mochte mich und sagte, dass ich ihn wieder besuchen solle. Und so müsstest du auch keine unangenehmen Fragen nach Annabel beantworten. Lass das mal ganz meine Sorge sein.«
Für einen Augenblick war es still in der Leitung. Dann sagte Evelyn: »Ich danke dir, Inka. Du weißt gar nicht, was du mir damit für einen großen Gefallen tust – oh, Rebecca ruft gerade auf der anderen Leitung an. Sie will wahrscheinlich auch die Neuigkeiten aus der U-Haft hören. Ich geh dann mal dran. Sei so lieb und nimm bitte die Schmutzwäsche von meinem Vater mit, ich hole sie dann bei dir ab. Bis dann – und danke noch mal!«
Inka legte auf. Endlich wurde sie mal wieder gebraucht und konnte Hilfe anbieten. Was für ein schönes Gefühl!
Nachdem sie einen Moment unschlüssig in der Küche gestanden hatte, fiel ihr Blick wieder auf Peters Zettel. Sie machte voller Erwartung den großen Kühlschrank auf. Ihr Leibgericht. Rigatoni Arleccino – vom leckersten Italiener in ganz Stuttgart. Nudeln mit Schinken und Erbsen, in einer einmalig guten Käsesoße, mit der sie sich eine Badewanne hätte füllen können. Dafür war Peter sogar einen kleinen Umweg gefahren. Er konnte doch lieb sein und tat sein Möglichstes. Jetzt meldete sich auch ihr Hunger. Wann hatte sie zuletzt etwas Warmes gegessen?
Selbst in der Mikrowelle aufgewärmt schmeckten die Rigatoni hervorragend und sie aß die Portion noch im Stehen. Sie schaufelte die Nudeln förmlich in sich hinein, bis sie übervoll war.
Als Inka kurz darauf ins Bett ging, war ihr schon leicht übel, aber darauf gab sie nicht viel. Sie versuchte einzuschlafen, allerdings kamen jetzt Magenschmerzen dazu. Zu viel gegessen, war ihr erster Gedanke. Vielleicht einen Schnaps trinken, der zweite. Als sie sich aufsetzte, musste sie sich schon die Hand vor den Mund halten, und dann schaffte sie es gerade noch bis ins Bad.
Schade um das gute Essen , dachte Inka und kauerte erschöpft und tief durchatmend auf den kühlen Badezimmerfliesen neben der Toilette. War es zu
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