Hypnose
nicht wahr sein! »Wie … wie lange war ich da?«
»Nicht lange, nur ein paar Tage. Bis sich dein Zustand mit Hilfe von Medikamenten wieder stabilisiert hatte. Nach Weihnachten warst du wieder zu Hause.«
War dies eine Erklärung dafür, warum sie bei dem Vorfall kürzlich unter keinen Umständen einen Arzt haben oder in die Klinik wollte? Die Zeit dort war mit Sicherheit nicht angenehm gewesen. Überhaupt waren die Tage nach der Geburt ein einziges schwarzes Loch in ihrem Kopf. Peter hatte das Thema Psychiatrieaufenthalt nie angesprochen. Aber weshalb sollte Evelyn das erfinden? Viel wahrscheinlicher war, dass er nicht an diese schmerzliche Zeit erinnert werden wollte und die Erlebnisse verdrängte. Und überhaupt fing er freiwillig sowieso nicht mit solchen Themen an.
»Aber du konntest bei der Beerdigung Abschied von deinem Baby nehmen«, sagte Evelyn, kurz bevor sie an ihrem silbernen Mercedes Roadster ankam.
»Ich kann mich nur noch bruchstückhaft daran erinnern.«
»Erinnerungslücken sind immer ein Anzeichen für ein schweres Trauma.«
»Vielleicht ist es an der Zeit, dass ich endlich mal wieder auf den Friedhof gehe. Damit verschollene Erinnerungen vielleicht wiederkommen.«
»Damit wäre ich gerade in der momentanen Situation eher vorsichtig. Nicht, dass du dir psychisch zu viel zumutest.«
»Stimmt schon. Ich muss jetzt selbst erst mal zur Ruhe kommen und überlegen, was zu tun ist.«
Evelyn öffnete die Tür des sportlich eleganten Zweisitzers, den Inka zwar schick fand, aber für kein Geld der Welt gegen ihre Mathilda eingetauscht hätte.
Vom Auto aus erzählte Evelyn Inka noch kurz, dass Jannis’ Eltern die Nachricht vom Tod ihres Sohnes erhalten hätten und sie seinen Leichnam nach Griechenland überführen wollten; insofern müssten sie sich nicht um ein Begräbnis in Deutschland kümmern.
Als Evelyn losfuhr, winkte Inka ihr nach und ging dann auf Andi zu, der noch immer in seinem leuchtend gelben T-Shirt am Laternenpfahl lehnte und eine Zigarette in der Hand hielt.
»Und?«, fragte er einfühlsam, als sie vor ihm stand. Seine kurze Nachfrage war so voller Wärme, dass sie versucht war, ihm sofort ihr Herz auszuschütten. Sie mochte ihn und seine unbekümmerte Art, die jedoch niemals deplaziert wirkte. Er machte ein Gesicht, als ob er ohnehin schon alles wusste und dennoch wollte, dass sie ihm ihre Version erzählte.
Inka sagte ihm, dass sie Annabel aus Schulzeiten kannte und Peter deshalb befürchtete, von dem Fall abgezogen zu werden.
Andi zuckte mit den Schultern. »Wegen mir muss er nix befürchten. Ist ja keine Verwandtschaft, und den Hauptteil der Spurensicherung habe ohnehin ich gemacht – aber sag mal, ist bei euch sonst alles okay? Peter ist so verschlossen zurzeit. Er war ja noch nie der große Redner, aber irgendwie isch er anders.«
»Na ja, ist ja auch kein Wunder nach dem Mord an unserem Freund.«
»Nein, ich mein’ auch vorher schon. Das geht schon länger. Er ist schon während deiner Schwangerschaft nicht mehr mit mir weggegangen. Früher sind wir ja oft mal nach Dienstschluss auf ein Bier zusammen los, da warst du ja manchmal auch dabei, aber plötzlich hatte er keine Zeit mehr. Okay, ich dachte, wird er eben zum Familienmenschen und bleibt abends gerne zu Hause. Aber jetzt hat er ja keine Vaterpflichten oder so, und enorm viel zu tun haben wir auch nicht immer.«
»Renoviert haben wir auch noch, vergiss das nicht.« Auch wenn sie Peter vor Andi verteidigte, machte sie das Verhalten ihres Mannes zugegebenermaßen auch stutzig.
Andi warf seine Zigarette auf den Boden und trat den Stummel aus. »Hast recht, ich sollte es wirklich nicht persönlich nehmen. Im Job kommen wir super klar, und ich bin froh, dass ich einen so guten Spürhund wie deinen Mann an meiner Seite hab. Scheint ein bisschen verzwickter zu sein als gedacht, die Mordsache in der Olgastraße.«
»Andi, da stimmt etwas ganz und gar nicht! Was sagt denn das psychologische Gutachten?«
»Es bescheinigt deiner Freundin beste Gesundheit. Annabel ist nicht verrückt. Allerdings war dieser Jannis mausetot, das hab ich mit eigenen Augen gesehen, und er hat die Wohnung definitiv nicht auf eigenen Beinen, sondern auf der Bahre verlassen. Und das Obduktionsprotokoll haben wir auch. Merkwürdig isch das Ganze schon …« Seine Augen richteten sich nach oben, wo die Gewitterwolken die Sonne verdeckt hatten. »Erzähl mir mal was über die beiden.« Andi nahm sich eine neue Zigarette aus dem Etui und drehte
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