Hypnose
mit dem Zettel an seinem Fuß, auf dem stand so etwas wie, dass ich noch tiefer graben müsse, um die Wahrheit zu finden.«
»Hat Rebecca den Zettel gesehen?«
»Nein, ich habe ihr nur erzählt, was draufsteht. Mitgenommen habe ich ihn nicht, ich bin Hals über Kopf ins Wohnzimmer zurück …«
Peter legte den Arm um ihre Schulter. Mit der freien Hand zeigte er auf das Türschloss. »Fällt dir nichts auf? Die Schaufel steht hier im Schuppen, weil ich den kompletten Türriegel ausgetauscht habe, nachdem du mir schon Wochen damit in den Ohren gelegen hast.«
Inka wehrte sich mit aller Logik dagegen, dass auch dieses markante Erlebnis eine Halluzination gewesen war. »Aber der Teddy! Der Teddy ist nicht mehr in der Kiste! Das ist ein Indiz. Er muss ein Loch von dem Messer im Bauch haben!«
»Könnte es sein … ich meine, dass wir den Teddy gar nicht in die Kiste gelegt haben?«
»Peter, glaub mir doch, ich habe mir das alles nicht eingebildet! Es war echt! Frag Rebecca.«
»Du hast gesagt, Rebecca hätte vom Wohnzimmer aus nur gesehen, dass jemand im Garten war. Und da war sie sich ganz sicher? Oder könntet ihr euch beide in der Wahrnehmung getäuscht haben, weil irgendetwas kurz einen Schatten geworfen hat? Diese Irritation könnte bei dir die Angst ausgelöst haben. Und alles, was du danach gesehen hast, war Teil einer Halluzination. Deine Psyche spielt verrückt. Ist ja auch nicht verwunderlich. Mir ist auch unwohl, wenn ich an die Warnung von Doktor Brunner denke, aber ich halte mir immer wieder vor Augen, dass der Zettel nur ein Produkt seines Wahns ist.«
Inka schaute an Peter vorbei zu den Bäumen am Gartenzaun, deren Blätter im Luftzug zitterten. Brunner war schizophren, er lebte in einer Parallelwelt, aber die Auswüchse eines Wahns brauchten stets den Nährboden der Realität, um zu gedeihen.
»Inka, du willst es doch nicht auch so weit kommen lassen, dass du für längere Zeit stationär in die Psychiatrie musst? Mein Schatz, versteh es bitte nicht falsch, aber denk noch mal intensiv darüber nach, ob du nicht doch ärztliche Hilfe brauchst. Es ist heutzutage keine Schande mehr, zum Psychiater zu gehen. Und ich spreche jetzt nicht von Hypnose! Es lässt sich da bestimmt ambulant und mit Medikamenten viel machen. Wir reden heute Abend noch mal drüber und wenn du willst, dann mache ich auch einen Termin für dich und begleite dich dorthin.« Er legte den Arm um sie und schob sie zurück ins Haus. »Komm, lass uns wieder reingehen. Du bist barfuß.«
Auf der Terrasse schaute Inka noch einmal zurück in den Garten. Jetzt musste Peter wirklich glauben, dass sie verrückt geworden war – aber sie hatte die leere Kiste und den misshandelten Teddy doch gesehen . Den einzigen Beweis, den sie Peter liefern könnte, war die perfide Spielanleitung. Die lag in dem Hypnosebuch im Wohnzimmer. Als sie das Haus betraten, schaute Peter auf die Wanduhr. »Oh, schon Viertel vor elf! Kann ich ausnahmsweise deine Mathilda nehmen? Das Auto zu tanken, schaffe ich jetzt nicht mehr. Das mache ich dann heute Abend.« Er gab ihr einen langen Kuss.
Vielleicht ist es Fügung , dachte Inka. Es sollte nicht sein, dass er den Zettel sieht.
»Ich lasse dich jetzt ungern allein, aber was soll ich machen? Czarnetzki killt mich, wenn ich nicht rechtzeitig zur Dienstbesprechung erscheine. Pass gut auf dich auf, mein Igelchen.«
✴
Kaum dass Peter gegangen war, nahm Inka den Zettel aus dem Hypnosebuch, legte die Spielanleitung wie zum Beweis, dass sie nicht komplett verrückt war, gut sichtbar auf den Couchtisch. Sie zog sich an und schaltete ihren Laptop ein. Ihre Gedanken konnte sie am besten sortieren, wenn sie schrieb. Noch vor einem halben Jahr war das ihr tägliches Geschäft gewesen. Einen Tag ohne Korrespondenz, Online-Zeitung und Neuigkeiten von Kollegen auf Facebook hatte sie sich bis dato gar nicht vorstellen können. Noch mit Vorwehen hatte sie einen kleineren Artikel für die Stuttgart aktuell über ein Weihnachtsmarktprojekt für Kinder aus armen Familien geschrieben, das ihr am Herzen gelegen hatte. Die Mail vom 21 . 12. an Lindemann mit dem angehängten Dokument hatte sie noch im Postausgang. Am nächsten Tag war ihre Fruchtblase geplatzt.
Wie um alles in der Welt hatte sie sich die Babyparty einbilden können? Das hatte sie Peter noch gar nicht anvertraut – aber er hielt sie ja ohnehin für verrückt. Reif für die Klapsmühle, um es drastisch zu formulieren.
Ja, was dachte er eigentlich genau über sie?
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