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fragte sie.
»Wir können nicht allen davonlaufen.« Er drehte den Kopf, um sie ernst anzusehen. »Sie haben uns bereits umzin-gelt.«
Shays Herz machte einen Satz, hielt ruckartig inne und kam stotternd zum Stillstand. »Verdammt.«
»Wenn wir ihnen nicht davonlaufen können, dann müssen wir sie eben überlisten«, flüsterte er.
»Hast du einen Plan?«
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Er nickte langsam. »Ja.«
Shay musterte sein Gesicht in dem gedämpften Licht. Darin lag eine eiserne Entschlossenheit, die sie misstrauisch die Augen zusammenkneifen ließ.
»Weshalb habe ich das Gefühl, dass mir dieser Plan nicht gefallen wird?«
Er kräuselte die Lippen zu einem leichten Lächeln. »Zweifelsohne, weil du halsstarrig und stur bist.«
Sie bohrte ihm den Finger in die Brust. »Erzähl ihn mir einfach.«
Es folgte eine Pause, bevor er nach ihrer Hand griff. »Direkt hinter dir befindet sich ein Einstiegsschacht zur Kanali-sation. Ich möchte, dass du ihn nutzt, um zu fliehen, während ich die Vampire ablenke.«
»Nein, das werde ich definitiv nicht tun.«
»Shay, du musst mir zuhören ...«
Das Wort wurde ihm durch das unverkennbare Geräusch sich nähernder Schritte abgeschnitten.
»Viper, du kannst dich ebenso gut zu erkennen geben. Das Lagerhaus ist umstellt. Es gibt keinen Fluchtweg.«
Shay fuhr leicht zusammen, als sie die dunkle, merkwürdig fesselnde Stimme hörte, die sie einzuhüllen schien. Sie wandte den Kopf und spähte zwischen den Tonnen hindurch. Die Schatten bewegten sich, und ein Vampir kam auf sie zu.
Er war groß. So groß wie Viper, und seine Schultern und seine Brust waren viel breiter. Der Eindruck von Größe wurde noch unterstrichen durch die lange schwarze Robe, die ihn vom Hals bis zu den Füßen einhüllte. Aber es war nicht seine gewaltige Kraft, die Shay den Atem raubte. Als er sich näherte, war sie imstande, den goldenen Tön seiner Haut zu sehen. Noch nie zuvor hatte sie einen Vampir gesehen, der nicht durch die Blässe gekennzeichnet war, die 312
für Vampire normal war.
Sein Haar war so schwarz wie der Flügel eines Raben und fiel ihm bis zur Körpermitte. Die schwere Mähne war nach hinten gerafft und durch eine Reihe von Bronzeringen, die in dem schwachen Licht glitzerten, zu einem festen Zopf zusammengefasst. Der strenge Stil unterstrich die kantigen Gesichtszüge einschließlich der hohen Wangenknochen und der Adlernase. Dazu kamen die länglichen Augen, in denen eine flüssige Dunkelheit glühte, und das Bild eines Azteken-fürsten war komplett.
Du lieber Himmel.
»Heiliger Bimbam«, keuchte sie. »Wer ist das?«
»Styx.«
Shays Augen weiteten sich, während ihr Magen sich vor Angst zusammenzog. An diesem Vampir war etwas unter-schwellig Unerbittliches. Er erweckte das Gefühl, dass nicht von seinem Ziel abweichen würde, ganz egal, was geschah.
»Styx?«
»Er erhielt seinen Namen, da er einen Strom von Toten hinterließ«, erklärte Viper, wobei er den Blick nicht von dem Mann abwandte, der unermüdlich auf sie zusteuerte. »Er ist unser berühmtester Krieger.«
»Reizend.« Shay zwang sich, den Kloß in ihrer Kehle he-runterzuschlucken. »Ein Freund von dir?«
»Früher einmal.«
»Warum macht er Jagd auf uns? Ist er derjenige, der mein Blut will?«
»Ich hege die Absicht, das herauszufinden.« Viper wand den Kopf, um Shay mit einem intensiven Blick anzusehen.
»Aber erst, wenn du hier verschwunden bist.«
»Viper ...«
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»Nein. Nicht jetzt.« Sein Griff wurde fester, bis ihre Finger fast schmerzten, während er sie unnachgiebig rückwärts-zog. Er hielt erst an, als sie das eiserne Gitter im Boden erreicht hatten. Dann löste er seinen Griff, beugte sich über das Gitter und zog es mit erstaunlicher Kraft heraus, ohne dass auch nur das kleinste Geräusch entstanden wäre, das sie verraten hätte. Nachdem er es beiseite gelegt hatte, umfasste er Shays Gesicht mit den Händen. »Styx verhält sich anderen Vampiren gegenüber in der Regel recht fair. Er wird mich nicht absichtlich verletzen. Du hingegen musst fliehen, wenn du zumindest eine Chance haben willst zu überleben.«
Shay biss die Zähne zusammen. Es war ausgesprochen beleidigend, sie zu bitten, sich wie der schlimmste Feigling davonzustehlen, während er zurückblieb, um die Rolle des Helden zu spielen. Und noch schlimmer war, dass sie sich durch etwas davonstehlen sollte, was verdächtig nach einer Giftmülldeponie roch.
Leider behielt der Stolz nicht die Oberhand über ihren gesunden Menschenverstand.
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