Ian Yery & der Hardcore Absolute Beginner
wahnsinnigen Betrügers hatten ihn hart getroffen und, typisch Nils, nahm er die negativen Unterstellungen an. Er gab dem Verrückten recht. Er
war
pervers, denn immerhin wichste er auf Computergrafiken, die er selbst erstellt hatte. Richtig, Nils wichste zu expliziten Fotos von Ian Yery, die er nur für sich gebastelt und ausgedruckt hatte. Vermutlich hatte der Verrückte sogar in
allen
Punkten recht. Immerhin lautete ein kluges Sprichwort:
'Kinder und Narren sprechen die Wahrheit'
.
Nils hatte sich mit der Antwort auf die E-Mail Zeit lassen wollen – nun aber musste er sie sofort loswerden. Himmel, der Verrückte hatte ihn dazu gebracht sich wie ein perverser Stalker zu fühlen, krank im Kopf –
diese
Unterstellungen wollte er ihm zurückgeben. Vielleicht konnte er den Typ mit den eigenen Waffen schlagen.
Nils ließ die Finger knacken und legte los. Im realen Leben war er feig und konfliktscheu, aber im Internet konnte er aus sich herausgehen und durchaus harte und treffende Worte anbringen. Da er den Irren nicht kannte, kein Gesicht von ihm vor Augen hatte, traute er sich tüchtig Dampf abzulassen. Nicht nur den über die Unterstellungen – es hatte sich eine
Menge
Frust aufgebaut, und er nutzte die Gelegenheit, um ihn loszuwerden – also klopfte er eine so wütende und gemeine E-Mail in die Tasten, wie er es noch nie getan hatte, und schickte sie ab, ohne sie ein weiteres Mal durchzulesen.
Danach öffnete Nils den Browser und rief über eine Suchmaschine sämtliche Copyshops auf, die es in dieser Stadt gab. Wow. Es waren fast hundert. Es würde also ein Projekt von mehreren Monaten werden, seinen Kletterer zu finden.
Gibs ihm!
… überwältigt …
„Sportlich sein heißt aber noch lange nicht, auch gut kämpfen zu können“, setzte Judith Mo auseinander. Dabei schlug sie immer wieder mit beiden Handkanten auf den Tisch, um ihre Argumente kraftvoll zu untermauern.
„Ich hätte auch gern einen Stalker, oder besser gesagt, eine
Stalkerin
“, murmelte Stefan und erntete von Judith einen Tritt gegen das Schienbein. Er stieß einen Schrei fahren und rieb sich die schmerzende Stelle.
„Das ist nicht lustig, du Arsch“, untermauerte sie ihren rüden Angriff argumentativ und widmete ihre Aufmerksamkeit wieder Mo. Sie musterte seinen Körper länger als notwendig und meinte schließlich: „Okay, wenn du dem Irren davonklettern musst, hast du die Nase vorn, außer …“
„Außer
was
?“, fuhr Mo sie unabsichtlich an. Vor einer knappen Stunde hatte er wieder eine E-Mail dieses
'Künstlers'
erhalten. Sie hatte vor wüsten Beschimpfungen und umfassenden Drohungen nur so gestrotzt. Mo war ziemlich mulmig deswegen, hatte vielleicht sogar ein bisschen Angst – aber zur Polizei wollte er damit nicht gehen. Judith gab, um neben dem Studium etwas Geld zu verdienen, einen Selbstverteidigungskurs. Zwar hatte sie angeblich irgendwelche relevanten Gürtel in Karate, aber Mo fand es dennoch grotesk, dass ihm eine Frau, die einen halben Meter kleiner war als er, beibringen wollte, wie man sich selbst verteidigte.
„Außer er ist ebenfalls ein guter Kletterer“, stellte sie Überlegungen an. „Denk doch mal nach. Falls er nicht gerade im Haus gegenüber wohnt, klettert er vielleicht die Fassaden hoch, um …“
„Willst du ihm noch
mehr
Angst machen?“, mischte sich Stefan ein.
„Ich meine ja nur“, maulte Judith.
„Du willst mir weismachen, dass du mich überwältigen könntest?
Du
?“, fragte Mo ungläubig. Er hielt sie trotz ihres Kampfsports für alles andere, als einen sportlichen Menschen. Seiner Ansicht nach führte sie nicht gerade ein gesundes Leben, rauchte, trank Alkohol, stopfte Fastfood in sich rein und zockte die Nächte durch. Betrachtete man also die anatomischen Unterschiede und den Grad der Fitness, war er ihr haushoch überlegen.
„Soll ich's dir beweisen?“, fragte Judith provokativ.
„Lass dich darauf bloß nicht ein, Mo!“, warnte Stefan und schüttelte heftig den Kopf.
„Okay“, nahm Mo die Herausforderung an. „Beweise es mir.“
„Ich habe dich gewarnt“, murmelte Stefan unheilschwanger und erhob sich. „Ich geh lieber in mein Zimmer,
dabei
will ich ganz sicher
nicht
zusehen. Mo, du bist ein Esel.“
„Dass
dich
jemand überwältigen kann, glaub ich gern“, erwiderte Mo und wurde dann doch etwas stutzig. Hatte diese winzige, leichte Frau etwa
diesen
Koloss aufs Kreuz gelegt?
„Los, greif mich an“, forderte Judith ohne in Kampfstellung zu gehen. Sie blieb
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