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iBoy

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Titel: iBoy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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vierundzwanzig Stunden geschlafen. Und ich fühlte mich
immer
noch müde. Aber zumindest schien die Traumhaftigkeit/Nicht-Traumhaftigkeit vorbei.
    Eigentlich fühlte ich mich fast normal. Fast   …
     
    In der Küche lag ein Zettel von Gram, auf dem stand, sie sei einkaufen und in ein paar Stunden zurück.
    Ich machte mir einen Toast. Aß ihn.
    Machte mir noch einen (ich war
wirklich
hungrig). Aß ihn.
    |204| Trank ein bisschen Orangensaft.
    Stellte den Fernseher an   …
    Stellte ihn wieder ab.
    Dann ging ich, immer noch nicht ganz bereit, wieder etwas zu tun, zum Fenster und schaute auf die Siedlung hinunter. Es war ein richtig schöner Tag – klar und hell, Vögel sangen, die Sonne schien – und sogar die Crow Town selbst wirkte viel weniger deprimierend als sonst.
    Es war nicht viel los dort unten. Ein paar kleine Kinder tobten auf ihren Rädern herum, ein alter Mann mit verbeultem Hut führte seinen Hund aus und auf der anderen Seite der Crow Lane tanzte und sang ein Gruppe junger Mädchen zu Musik aus ihren iPods.
    Irgendwas an der Siedlung war merkwürdig – aber auf positive Art. Es ist schwer zu beschreiben, das Gefühl war vertraut und gleichzeitig ganz ungewohnt, als ob mit der Siedlung einerseits alles wie immer wäre – dieselben Gebäude, dieselben Straßen, dieselben Farben, dieselben Formen   –, aber als ob es daneben noch etwas anderes gäbe. Etwas, das jenseits der greifbaren Realität der Siedlung lag, schien sich verändert zu haben.
    Oder vielleicht war es auch nur das Wetter   …?
    Oder nur ich   …?
    Oder vielleicht war es überhaupt nichts?
    Vielleicht war es ja einfach nur so ein seltsamer Tag.
     
    Nach einer Weile trat ich vom Fenster zurück, legte mich aufs Bett und schloss – einigermaßen widerwillig – die Augen.
     
    Ich hatte eigentlich keine Lust auf irgendwelches Cyber-Surfing/iBoy-Zeug. Ehrlich gesagt war ich das Ganze leid. Leid, |205| alles zu wissen. Leid, gar nichts zu wissen. Leid, Leute zu verletzen. Leid, Geheimnisse zu haben und zu lügen. Leid, dass alles so sinnlos war, was ich zu tun versuchte   … was immer es sein mochte.
    Und genau das war der Punkt   … was
versuchte
ich eigentlich zu tun? Den Teufel und all seine Kohorten zu vernichten? Die Welt von aller Gewalt und allem Übel zu erlösen? Die Hölle ins Paradies zu verwandeln?
    Das würde ja doch nie passieren.
    Erstens bekämpfen sich Gangs, wie Gram gesagt hatte, ständig – es ist das, was Gangs nun mal tun. Sie kämpfen, sie vergewaltigen, sie töten. Das tun sie seit Hunderten von Jahren und sie werden es weiter tun, bis sie alle tot sind   … was nie passieren wird. Denn es wird immer irgendwelche Formen von Gangs geben – Stämme, Familien, Religionen, Staaten, Fußballfans   –, weil, ganz simpel gesagt, Menschen soziale Wesen sind. Wir bilden von Natur aus Gruppen. Wir suchen Schutz und Sicherheit in der Gruppe. Wir erfahren Geborgenheit, Status und Bestimmung in der Gruppe. Und um all das zu verstärken, was wir von unserer Gruppe erfahren, bekämpfen, töten und vergewaltigen wir Mitglieder anderer Gruppen.
    Es ist das, was Menschen nun einmal tun.
    Wie konnte ich hoffen, das zu ändern?
    Und noch was   … selbst wenn alles, was ich zu tun versuchte, nur dazu diente, Howard Ellman aufzuspüren – und womöglich ging es mir wirklich nur darum   –, was würde ich mit ihm machen, wenn ich ihn fand? Oder er mich? Würde ich ihn töten? Ihn für immer wegsperren? Ihn zusammenschlagen? Sein Hirn grillen? War ich fähig, etwas in der Art zu tun? Brachte ich das wirklich fertig? Und egal was ich tat, glaubte |206| ich ernsthaft, es würde irgendwas ändern? Egal was ich mit Ellman machte – würde es andere Leute dazu bringen, keine schrecklichen Dinge mehr zu tun?
    Natürlich nicht.
    Und davon abgesehen war ich das Ganze leid. Ich wollte einfach wieder normal sein. Ich wollte ein normaler Jugendlicher sein, normale Dinge tun – zur Schule gehen, mich über meine Pickel ärgern, froh oder traurig oder wild auf irgendwas sein, das keine große Bedeutung hatte. Ich wollte nicht anders sein. Ich wollte nicht alles wissen. Ich wollte kein Mutantenhirn haben, das sich immer weiter umformte, immer noch mehr Informationen aufnahm und mir das Gefühl ständig wachsender Weisheit vermittelte   …
    Ich meine   … Weisheit?
    Ich war sechzehn – was wollte ich da mit
Weisheit
?
    Ich wollte einfach normal sein.
    Und ich wollte auch gegenüber Lucy normal sein. Ich wollte bei ihr Tom

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