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Icarus

Icarus

Titel: Icarus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Russell Andrews
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Hauseingang. Meine Beweise? Ich habe die Eingeweide gesehen, die aus ihrem hübschen kleinen Bauch heraushingen. Wie finden Sie das?« Sie sah ihn jetzt an, konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten. War es die Reaktion auf eine erlittene Niederlage oder Entschlossenheit? »Wissen Sie«, fuhr sie fort. »Das Leben ergibt nicht immer einen Sinn. Der Tod auch nicht – jedenfalls nicht die Todesfälle, mit denen ich zu tun habe. Aber manchmal ist es wirklich einfach. Ihr Freund war high, und Ihr Freund ist geflogen. Ende der Geschichte. Hey, ist das nicht aus irgendeinem Film? Jemand, ein Böser, glaube ich, beendet jeden Satz immer mit: ›Ende der Geschichte!‹ Wer war das noch mal?«
    »Weiß ich nicht«, sagte Jack. »Keine Ahnung.«
    Sie runzelte die Stirn, gab Jack ein Zeichen, er solle für einen Moment still sein, dann nickte sie plötzlich und sagte: »Die härteste Meile. Das war es. Dieser Burt-Reynolds-Film. Und es war der Kerl aus Green Acres, der es immer gesagt hat. Er spielte den Gefängniswärter. ›Ende der Geschichte‹.«
    Sie schien erleichtert, daß es ihr eingefallen war. Jack erkannte, daß sie niemand war, der ein noch so kleines Detail unbeachtet ließ. Und dann schien es ihr peinlich zu sein, daß sie sich durch die Erinnerung an einen Kinofilm hatte ablenken lassen. Sie sah ihn einige unbehagliche Sekunden lang schweigend an. Dann zuckte sie die Achseln. Sie gewann ihre alte Selbstsicherheit zurück. Es war ein Zeichen, daß sie nichts mehr zu sagen hatte.
    »War es das?« fragte Jack. »Gehen Sie zum nächsten Fall über?«
    »Schätzchen«, sagte Patience McCoy mit einem Anflug von Bedauern in der Stimme und klopfte noch einmal auf ihr Arbeitsbuch. »Ich bin schon mittendrin.«
    »Jackie, verschon mich«, knurrte Dom.
    Die Fleischfabrik war Jacks dritte Station an diesem Tag, und er hoffte, daß dieser Besuch sich als aufschlußreicher erweisen würde als die beiden vorausgegangenen. Nach den ersten zwanzig Sekunden der Unterhaltung zu urteilen, würde er das nicht.
    »Ich habe das Gefühl, als müßte ich irgend etwas tun«, sagte Jack.
    »Was? Was, zum Teufel, solltest du tun können? Irgendeinen geheimnisvollen Killer suchen? Der wahrscheinlich nicht einmal existiert?«
    »Ich weiß, es klingt alles völlig verrückt …«
    »Nein. Es klingt nicht nur verrückt. Es klingt verdammt noch mal unglaublich dämlich!«
    »Ich bitte dich nicht um Erlaubnis …«
    »Was, zum Teufel, hast du dann hier zu suchen?«
    »Ich muß eine Erklärung finden. Ich muß irgend jemanden überzeugen.«
    »Nun, mich überzeugst du nicht.«
    »Dann hör auf, dich wie ein sturer alter Sack aufzuführen, und laß es mich dir wenigstens erklären.«
    »Nichts als Ärger«, sagte Dom. »Mehr als dreißig Jahre nichts als Ärger mit dir …« Doch dann sah er den Ausdruck auf Jacks Gesicht, erkannte, was in seinen Augen lag, und er sagte: »Okay. Dann erklär mal.«
    Jack stand auf. Umrundete einmal den Metzgertisch, ergriff eins von Doms Fleischmessern und umklammerte es.
    »Niemand weiß«, begann er, »wie es für mich war, als Caroline starb. Glaube mir, nicht einmal du. Ich hatte sie nicht nur verloren, nein, ich hatte das Gefühl, ich hätte sie verloren … daß ich dafür verantwortlich war.« Ehe Dom ihn unterbrechen konnte, sagte er: »Ja, ja, ich weiß. Ich kenne all diesen Psychokram. Aber ich weiß auch, was ich tat und wie ich mich fühlte. Niemand sonst ist der Ansicht, daß ich es irgendwie ausgelöst habe, das ist mir klar, nicht ihre Mutter, nicht du, nicht die Polizei. Aber ich glaube es. Wenn ich nicht nach oben gestürmt wäre, wer weiß, was dann geschehen wäre? Vielleicht hätte diese Bestie die Halskette an sich genommen und dann zugesehen, schnellstens zu verschwinden. Und Dom, es ist nicht nur sie. Es ist …«
    »Es ist Joanie. Und ich glaube, ich kann es vielleicht doch verstehen, Jackie. Nach fünfunddreißig Jahren frage ich mich noch immer, was wohl gewesen wäre, wenn ich es nur eine Minute früher bis in den siebzehnten Stock geschafft hätte.«
    Eine seltsame Stille breitete sich jetzt zwischen ihnen aus, ein Schweigen gemeinsamer Trauer, gemeinsamen Leids, gemeinsamen Verstehens.
    »Du wirst es niemals erfahren, Jackie«, sagte Dom leise. »Du kannst dir nicht ständig Vorwürfe machen …«
    »Nein, du hast recht, keiner von uns wird es jemals wissen. Aber das macht es nicht besser. In gewisser Weise wird es dadurch nur noch schlimmer. Weil ich mir nicht nur die Verantwortung

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