Icarus
und jagten einen Stromschlag durch seinen Körper. »Das ist eine Drohung, Jack.«
Er sah ihr nach, als sie in den Wagen stieg, sah, wie ihr Bein im Wagen verschwand. Der Chauffeur fädelte sich in den Verkehr ein, und sie bogen um die nächste Ecke und waren nicht mehr zu sehen. Jack berührte die Stelle auf seiner Wange, wo ihre Lippen ihn berührt hatten. Er hatte das Gefühl, als wäre seine Haut versengt. Als wäre er gebrandmarkt worden.
Er rieb mit zwei Fingern seiner rechten Hand über die Stelle und betrachtete den kleinen roten Fleck, der sich nun auf seinen Fingerspitzen befand, und er begriff, daß er seinen ersten und verwirrenden Schritt in Kids unbekannte Welt getan hatte.
Es war im großen und ganzen das gleiche Gefühl wie in der Anfangszeit seines Trainings mit Kid. Es war schmerzhaft. Es war oft unerträglich.
Aber es gefiel ihm.
Siebenunddreißig
Diesmal war Sergeant McCoys Reaktion auf sein Erscheinen im 8. Revier nicht annähernd so neutral wie bei seinem ersten Besuch. Diesmal war sie ganz eindeutig wenig erfreut.
»Das ist mein Mann, Mr. Keller. Wir wollten gerade essen gehen. Er hat mich abgeholt, damit ich nicht allein durch die Stadt fahren muß. Ist das nicht nett von ihm?«
»Sehr nett.«
»Elmore, das ist Jack Keller.«
»Sehr erfreut, Sie kennenzulernen«, sagte Jack. »Oder Sie wiederzusehen. Ich weiß, daß wir uns schon mal im Restaurant begegnet sind.«
Elmore McCoy war offensichtlich verblüfft, daß Jack sich daran erinnerte, aber seine Frau ergriff sofort das Wort: »Mach den Mund lieber zu, Herzchen. Als ich ihn kennenlernte, habe ich ihm erzählt, wir wären dort gewesen. Er mag ja ganz gut sein, aber 5000 gut ist er nun auch wieder nicht.« Elmore McCoy wirkte nun ziemlich enttäuscht, aber dem guten Sergeant schien das gleich zu sein. »Gib uns zwei Minuten«, sagte sie zu ihm, »und dann können wir aufbrechen.« Ihr Ehemann nickte und entfernte sich, so daß sie an ihrem Schreibtisch allein waren.
»Sergeant …«, begann Jack, aber sie schnitt ihm sofort das Wort ab.
»Ich glaube, jetzt rede ich erst einmal«, verkündete sie, »denn es war mein Ernst, als ich sagte, ich hätte nur zwei Minuten Zeit. Aber das dauert auch nicht lange, denn ich will Ihnen nur eins unmißverständlich klarmachen: Egal, was sie tun oder vorhaben, lassen Sie’s!«
»Woher wissen Sie, was ich getan habe?«
»Was glauben Sie denn? Wir haben bereits von der reizenden Mrs. Migliarini einen Anruf erhalten, daß Sie sie belästigen. Glauben Sie mir, Jack – und ich nenne Sie Jack, weil das Ganze so beschissen ist, daß ich mich nicht überwinden kann, Sie mit Mister anzureden – wagen Sie lieber nicht, ein Mitglied der Migliarini-Familie zu belästigen. Das ist etwas, was Sie ganz einfach nicht tun sollten. Sie sprach davon, Sie wegen unbefugten Eindringens anzuzeigen, und, glauben Sie mir auch das, es wäre das Netteste, was sie in dieser Situation tun könnte.«
»Wissen Sie, daß ihr das Apartment gehört, aus dem Kid auf die Straße gestürzt ist?«
»Ich bin Polizeibeamtin, verdammt noch mal. Was, zum Teufel, tue ich wohl in meiner Arbeitszeit? Aber wußten Sie, daß ihr im selben Gebäude noch zwei weitere Apartments gehören? Sie hat sie als Kapitalanlage gekauft und vermietet. Es ist eine rein geschäftliche Angelegenheit, und die Wohnungen gehören genaugenommen ihrer Firma.« Die Worte sprudelten ihr nur so über die Lippen, und sie schien immer erregter zu werden. »Ehe Sie Ihre Nase noch tiefer in fremde Angelegenheiten stecken, gestehe ich Ihnen zu, daß Ihr Freund wahrscheinlich nicht allzuviel hat bezahlen müssen, um dort zu wohnen, ich habe die Lady gesehen, und ich weiß schon, zu welcher Sorte sie gehört, aber das geht mich nichts an. Und Sie natürlich auch nicht. Wir haben mit ihr über die Drogen geredet, die wir dort gefunden haben, und wir gehen davon aus, daß sie davon nicht die geringste Ahnung hatte. Das ging uns etwas an, und darum haben wir uns auch gekümmert. Durchaus möglich, daß sie darüber genauso überrascht war wie Sie! Also, Jack, ich schlage folgendes vor: Hören Sie damit auf, sie und mich zu belästigen.«
»Wußten Sie, daß sie ihm eine Stichwunde zugefügt hat?«
»Nein«, sagte McCoy, und ihr Zorn erhielt einen kleinen Dämpfer. »Das wußte ich nicht. Wann war das?«
»Vor vier, sechs Wochen. Sie ging mit einem Messer auf ihn los und verletzte ihn am Arm.«
»Nun, darüber gab es nie eine Meldung. Und ein so geringfügiger Fall
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