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Icarus

Icarus

Titel: Icarus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Russell Andrews
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Fenster …
    Das Fenster … aus dem Fenster … er ging durch das Fenster.
    Nein, nicht aus dem Fenster. Vom Balkon. Kids Balkon. Er ging über die Brüstung, er fiel. Stürzte! Schneller und schneller und schneller. Gleich würde er aufschlagen!
    Er hörte das Schreien. Schrie er? Ja, ja, er war es, denn das Rot war jetzt überall, bedeckte ihn, überflutete das Zimmer in einer schäumenden Woge und füllte es bis zur Decke. Wohin er auch sah, war Rot und noch mehr Rot. Und noch mehr Rot, überall.
    Und er bumste sie jetzt alle, eine nach der anderen. Und doch alle gleichzeitig. Wie war das möglich? Aber so war es. Stetiges, hartes, rhythmisches Picken. Die Novizin. So schön, so sanft. Die Entertainerin. Sie grinste ihn an, hatte in einer Hand ein Messer, und aus ihrem Arm ragte eine lange Injektionsnadel. Die Totengräberin, deren lange Fingernägel seinen Rücken zerkratzten, an seinem Fleisch zerrten. Samsonite. Deren scharfe Zähne sich in seinen Nacken bohrten, dann in seine Schulter, ehe sie in einer roten Wolke explodierte und er wieder zu schreien begann. Und sogar Emma! Aufregende, herrliche Emma aus ferner Vergangenheit. Aber dann war Caroline zurück … perfekte Caroline. Sie beruhigte ihn. Liebte ihn. Brachte ihn in Sicherheit …
    Er wollte zu ihr sagen: Ich kann nicht in Sicherheit sein. Ich habe es fast geschafft. Ich glaube, ich habe sie alle gefunden, aber eine fehlt noch. Niemand ist in Sicherheit, solange wir sie nicht gefunden haben! Der Todesengel fehlte. Wo war der Todesengel? Warum konnte er den Todesengel nicht finden?
    Mehr Rot. O Gott, es war unmöglich, wie konnte da noch mehr Rot sein? Aber es war da. Caroline verschwand, ging in einem Strom aus Rot unter. Ein roter tobender Fluß …
    Und Kids Stimme. Wie konnte da Kids Stimme sein? Sie sprach: Sag, wenn es weh tut … Sag, wenn es weh tut …
    Noch mehr Rot … Noch mehr Schmerz …
    Nackt.
    Picken.
    Sie alle.
    Allein. Zusammen.
    Rot rot rot rot.
    Sag, wenn es weh tut.
    Jetzt … Jack schrie … Jetzt jetzt jetzt jetzt jetzt jetzt jetzt!
    Es tut weh! Bitte, mein Gott, es tut weh … O … mein … Gott … Es tut weeeeeeeehhhhhhh …

Fünfundvierzig
    Er brauchte mehrere Sekunden, um zu erkennen, daß er wach war.
    Sein Mund war trocken und schmutzig. Er fühlte sich an, als hätte er einen Eimer Sand geschluckt. Die Zunge war mit einer harten, rauhen Kruste bedeckt, und als er versuchte, sich zu räuspern, kam nur ein Krächzen aus seinem Rachen, als ob er seit Jahren nicht mehr gesprochen und seine Kehle ihren Dienst eingestellt hätte.
    Jack war desorientiert. Er hatte keine Ahnung, wie lange er geträumt hatte oder wie spät es war, und instinktiv wollte er auf die Uhr schauen. Aber das konnte er nicht. Seine linke Hand war mit Handschellen an den linken oberen Pfosten des Bettes gefesselt. Noch immer begriff er nicht, wo er sich befand oder was geschehen war. Er zerrte an der Hand, konnte sich aber nicht befreien. Er zerrte erneut, kräftiger, und als die Handschellen in sein Handgelenk schnitten, brachte der Schmerz die Wirklichkeit häppchenweise zurück: Er hatte Samsonite gefunden, war mit ihr in ihre Wohnung gegangen, hatte mit ihr geredet, getrunken, und eine Droge war in seinen Wein gemischt worden. Er wußte nicht genau, was danach geschehen war, aber kurze Eindrücke huschten durch sein Gehirn, und damit stellten sich Wut und Verwirrung und Erniedrigung und, er konnte es nicht leugnen, Erregung ein.
    Er zerrte wieder mit der Hand, aber es half nichts. Durch diese Aktion verdrehte sich sein Körper, und Jack begriff plötzlich, daß er sich nicht allein im Bett befand. Er drehte den Kopf, um auf seine rechte Seite zu blicken. Samsonite lag neben ihm. Nackt und schlafend. Wütend stieß er sie mit der rechten Hand an, rammte sie ihr in den Rücken, aber sie wachte nicht auf. Er wollte sie abermals anstoßen, rasend vor Wut, aber als seine Hand ihre Wirbelsäule berührte, sah er, daß auf dem Laken am unteren Ende ihres Rückens ein roter Fleck prangte. Er konnte jetzt ihre Beine sehen, und auch sie waren mit roten Spritzern besudelt. Jack schaute an seinem eigenen nackten Körper hinab und erkannte, daß auch er bespritzt war. Seine Brust, ein Arm, ein Oberschenkel waren mit dickem rotem Blut beschmiert.
    Er wollte sie anschreien, wollte brüllen: »Wach auf, du verrücktes Biest!«, aber es hatte keinen Sinn, denn als er ihre Schulter packte und ihren Körper zu sich drehte, sah er, daß der Blutstrom auch ihren Hals

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