Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Icarus

Icarus

Titel: Icarus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Russell Andrews
Vom Netzwerk:
weg war, vielleicht würde sie ja nett zu mir sein und mit mir all das machen, was sie mit Kid gemacht hatte. Also ging ich hin und fragte sie. Aber sie lachte mich aus, sagte, ich wäre ein Versager.« Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Ein Versager, Mr. Keller. Können Sie sich das vorstellen? Sie tanzte all diese schmutzigen Sachen und nahm Drogen, und sie nannte mich einen Versager.« Er schüttelte abermals den Kopf und sah Jack an, als wären sie beide Verschwörer, sie zwei gegen die verrückte Welt. »Ich war dort, wissen Sie. Als Sie klingelten. Ich ließ Sie rein, ging dann eine Treppe hoch. Ich sah Sie reingehen, dann ging ich nach unten, und niemand schöpfte Verdacht.«
    »Du bist wirklich clever, Btyan. Du hast sogar das Schloß aufgebrochen, damit alle dachten, ich hätte es getan.«
    Bryan lächelte. Jacks Kompliment freute ihn. Aber das Lächeln verschwand sofort, als er ein Geräusch hinter sich hörte – ein leises Flügelflattern und das heftige Einatmen danach – und den Ausdruck in Jacks Augen sah, den Ausdruck totaler Verzweiflung …
    Grace wußte, daß sie es schaffen konnte.
    Sie hatte in ihrem ganzen Leben noch nie solche Angst gehabt, aber sie konnte es schaffen. Sieh bloß nicht hinunter, hämmerte sie sich ein. Sieh nicht nach unten, bleib ganz ruhig und mach weiter. Julia Roberts konnte das auch, dachte sie. Also tu einfach so, als wärst du Julia Roberts und als wäre dies ein Film, und wenn du auf der anderen Seite bist, wartet dort Richard Gere auf dich.
    Der Wahnsinnige hatte nicht das geringste gehört. Jack machte seine Sache gut, indem er ihn am Reden hielt. Daher brauchte sie sich nur noch auf das Kriechen zu konzentrieren. Sie lag auf dem Bauch, die Arme nach vorn ausgestreckt. Sie hielten die Balance und klammerten sich an die Mauer. Ihre Beine waren nach hinten gestreckt, und sie benutzte die Oberschenkel, um das Gleichgewicht zu halten, während sie sich voran schob. Sie dachte an nichts anderes, als zum nächsten Gebäude zu gelangen und dabei nicht abzustürzen. Sie wollte auch nicht hochschauen, ehe sie es auf die andere Seite geschafft hatte. Sie würde sich durch nichts ablenken lassen.
    Deshalb bemerkte sie die Taube nicht.
    Sie war herbeigeflogen und gut dreißig Zentimeter vor ihr auf der Mauerkante gelandet. Als sie sie erreichte, streiften ihre Finger die weichen Federn. Sie spürte die Flügel schlagen und hörte den Vogel unwillig gurren. Und er tat das, was nicht geschehen durfte, was sie nicht zulassen durfte …
    Sie atmete vor Schreck scharf ein und zog die Hand zurück. Und als die Taube sich in die Luft erhob, dicht über ihren Kopf hinwegstrich, scheuchte sie sie voller Panik weg, und dabei verlor sie das Gleichgewicht. Sie wußte, der Wahnsinnige würde sie jetzt hören, aber das war ihr egal. Das war das geringste Problem. Da war sie, auf einem Drahtseil eine Million Meilen über Manhattan, und geriet in Panik, daß sie von diesem gottverdammten Dach stürzen könnte, weil sie eine verdammte Taube gestört hatte. Der Gedanke, der ihr jetzt durch den Kopf ging, war ein Spruch, den sie auf einem Kaffeebecher in der Galerie gelesen hatte: Life’s a bitch and then you die. Verdammt passend, dachte sie, denn sie rollte jetzt nach links, sie hatte die Balance verloren, sie stürzte.
    Jack sah Grace verschwinden und wollte schreien. Er glaubte, er würde den Verstand verlieren, aber ihm war klar, daß es seine einzige Chance war und er sie nutzen mußte. Er konnte nicht an sie denken, weigerte sich, überhaupt zu denken, und während Bryan sich umwandte, während sein Blick der Bahn der aufgeschreckten Taube folgte, die sich in die Lüfte schwang, bückte sich Jack, packte eine zehn Pfund schwere Hantel, die ein paar Schritte entfernt auf dem Terrassenteppich lag, und schwang sie so wuchtig, wie er nur konnte, gegen Bryans Hinterkopf. Da Bryan den Angriff ahnte und versuchte, ihm auszuweichen, krachte das Gewicht seitlich gegen seinen Hals. Es war kein Treffer, der ihn völlig ausschaltete, aber er war gut genug. Bryan stürzte benommen zu Boden, und Jack warf sich durch die offene Tür ins Wohnzimmer. Er wußte, er hätte nicht genug Zeit, um es bis zum Fahrstuhl oder gar zur Treppe zu schaffen. Bryan war nicht lange außer Gefecht gesetzt. Er war sofort wieder aufgesprungen, stand bereits wieder und kam hinter ihm her … Jack wußte genau, wohin er wollte: zum Garderobenschrank in der Diele. Dort bewahrte Caroline ihr Jagdgewehr auf. Er hätte es

Weitere Kostenlose Bücher