Icarus
fertigzumachen. Die Kette blieb um ihren Hals, aber sie streifte die Schuhe ab und schlüpfte aus ihrer Jeans und ihrem Arbeitshemd. Nach wenigen Augenblicken erstrahlte sie in ihrem schlichten, kurzen schwarzen Krizia-Kleid, während er in seinem Armanismoking den perfekten Gastgeber mimte.
Sie band seine Fliege, was er selbst niemals schaffte. Er trat zurück, bewunderte sich kurz im Spiegel, drehte sich um und gab ihr einen letzten Kuß, diesmal nur einen kurzen, schnellen.
»Auf in den Kampf«, sagte er.
19:32 Uhr:
»Gouverneur, wie schön, daß Sie gekommen sind.«
»Caroline, Sie werden von Mal zu Mal schöner. Wie ist so etwas möglich?«
»Gouverneur, ich möchte Sie mit einer Frau bekannt machen, der Sie viel eher Komplimente machen sollten. Das ist Wendy, die in Zukunft dafür zuständig ist, daß Sie Ihren Tisch bekommen.«
»Aha, gut, daß ich weiß, wer hier wirklich das Sagen hat.«
Die Restaurantchefin errötete leicht. »Hier ist meine Karte, Gouverneur. Bitte, wenden Sie sich direkt an mich, wenn Sie irgendeinen Wunsch haben.«
Ein erfreutes Lächeln in Carolines Richtung. »Ich liebe Sie jetzt schon, Caroline.«
»Das Wohl unserer Gäste liegt uns stets am Herzen, Gouverneur.«
19:38 Uhr: Es wurde Zeit. Kein Vorher mehr. Jetzt kam das Während. Die magische Einladung war benutzt worden. Es hatte
funktioniert. Natürlich hatte es funktioniert.
Alles lief wie geplant.
Heute war alles reine Magie.
Das Restaurant füllte sich bereits, und auf dem Bürgersteig draußen drängten sich die Menschen. Einige der wichtigen Gäste waren eingetroffen. Limousinen parkten am östlichen Ende der Mall. Es war wie eine Riesenparty. Die Leute tranken, lachten und schwatzten wild durcheinander. Es würde stattfinden. Es war ganz eindeutig soweit.
Solange sie taten, was sie tun sollten, solange sie sich an den Zeitplan hielten. Aber das würden sie. Sie mußten es. Und jetzt wurde es Zeit, aktiv zu werden. Es war entscheidend zu handeln. Jetzt.
Es war nicht schwierig, sich durch die Zecher zu drängen. Kein Grund, weshalb irgendwem etwas auffallen sollte. Es gab absolut keinen Grund, Verdacht zu schöpfen.
Der Typ vorn im Restaurant war so verdammt nett. Die Toilette? Natürlich. Dort entlang und hinter der Bar nach rechts. Gleich neben der Treppe.
Der Treppe zum Büro.
Kopf nach unten, keinen Augenkontakt riskieren. Remple niemanden an. Stoße kein Glas um. Errege kein Aufsehen. Dort ist sie. Drüben, an der Bar. Wo sie auch sein sollte. Ich kann sie praktisch berühren. Nein, nicht den Kopf heben. Auf keinen Fall. Kein Aufsehen jetzt. Nichts dergleichen. Halte dich von ihr fern. Laß sie einstweilen in Ruhe.
Geh durch die rechte Tür. Niemand drin. Perfekt. Eine schöne Toilette. Sehr schön. So sauber. Was ist das für ein Stein? Marmor? Ja, kann sein. Wahrscheinlich ziemlich teuer. Alles in diesem Restaurant muß teuer gewesen sein.
Oh, es ist genau so, wie du es geplant hast, nicht wahr? Genau so, wie du es dir vorgestellt hast.
Du bist sehr clever. Sehr, sehr clever.
Geh jetzt in die Kabine. Das gehört zum Plan. Schließ die Tür. Und jetzt warte.
Bald wird es passieren. Sehr bald. Sie werden es nicht wagen, dich im Stich zu lassen. Du mußt jetzt nur noch warten.
Nein, nein, was denkst du denn? Das war’s noch nicht.
Du mußt noch die Pistole überprüfen.
Gut. Sie ist geladen. So wie bei den anderen zehn Malen, die du sie überprüft hast. Es ist alles bereit.
Und jetzt mußt du nur noch warten. Warten.
Warten …
20:14 Uhr:
»Beeilt euch, Leute, hört auf zu schwatzen. Die Zeit läuft uns davon.«
»Sorry, Chef.«
»Keine Entschuldigungen. Wartet mit dem Quatschen bis nach dem Essen. Wir hängen mit den Beilagen für die Fleischgerichte hinterher.«
Ein Kellner kam durch die Schwingtür in die Küche gerauscht. »Ich fasse es nicht. Alle bestellen gleichzeitig.«
»Was hast du erwartet? Sie haben sich alle gleichzeitig hingesetzt.«
»Verdammt, ist es heiß hier drin. Was ist mit der Belüftung passiert?«
»Okay, okay, wie sieht die Reihenfolge aus, Leute?«
»Bei Tisch 32 haben wir etwas Luft. Ein Liebespaar. Sie paaren sich praktisch am Tisch – denen ist es egal, wie lange sie auf das Essen warten müssen.«
»Tisch zwölf ist der Bürgermeister. Er labert in einem fort, und alle anderen bei ihm trinken wie Fische, die bringen sich also auch nicht um. Dort können wir uns ebenfalls Zeit lassen.«
»Okay, Leute, achtet auf die Shrimps. Sie werden kalt! Deckt sie
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