Icarus
dazu ein Experiment machen. Man schneidet einem Frosch ein Bein ab, zieht einen Haken hindurch, um es zu verlängern, und schickt einen Strom hindurch – und löst damit Kontraktionen aus.«
»Das klingt, als wäre es ein lustiges Experiment.«
»Es ist ein wichtiges Experiment. Es beweist, daß ein elektrischer Strom Muskelkontraktionen auslöst. Und genau das müssen wir mit dir machen, denn ich nehme an, daß bei dir schon schwere atrophische Erscheinungen vorliegen.«
»Demnach bin ich bei diesem speziellen Experiment der Frosch.«
»O ja«, sagte Kid. »Du bist ganz sicher der Frosch.« Er grinste. »Und jetzt tue ich nichts anderes, als dich zu strecken. Es ist nichts Schlimmes, du brauchst nichts anderes zu tun, als mich an dir ein wenig herumziehen und drücken zu lassen. Ich will feststellen, wie groß deine Flexibilität noch ist.« Jack nickte. Kid streckte Jacks rechtes Bein auf dem Boden aus und drückte mit der Hand auf den Oberschenkel, um das Bein unten zu halten. »Mach dein linkes Bein gerade und streck es mir entgegen«, sagte er, und als Jack gehorchte, hielt Kid es am Fuß fest und hob es etwa fünfzehn Zentimeter vom Fußboden hoch. »Okay. Sag halt, wenn es weh tut.«
»Halt.«
Kid bog den Fuß, so daß er nach oben wies. Schweiß rann über Jacks Gesicht, während er hilflos auf der Matte am Boden seines Wohnzimmers lag.
»Halt …«
Kid drückte fester auf Jacks rechten Oberschenkel, so daß er völlig bewegungslos war.
»Halt, verdammt noch mal!«
»Ich habe noch nichts getan. Du solltest mit dem Jammern warten, bis wir wirklich anfangen.«
Der Schweiß tränkte Jacks Kleider. Die Angst hatte ihn gepackt. Die Erwartung der Schmerzen. Kid begann Jacks linkes Bein vom Fußboden hochzuheben. Er machte es langsam und vorsichtig, zentimeterweise.
»Weißt du, Kid …« – Jacks Atem ging mühsamer – »… du bewegst dich noch immer auf ziemlich dünnem Eis. An deiner Stelle würde ich versuchen …« – sein Atem wurde noch gequälter – »… deine … von Natur aus … überhebliche … Persönlichkeit … zu verbergen … o Scheiße. Wenigstens noch für eine gewisse Zeit … das ist jetzt hoch genug.«
Kid ignorierte ihn. Er hob Jacks Bein immer weiter an.
»Kid … stopp.«
»Nur noch ein kleines bißchen. Du schaffst es.«
»Das tue ich nicht! Stopp!«
Kid hob das Bein noch einen Zentimeter höher. Der Fuß schwebte jetzt einen knappen Meter über dem Boden, während das Bein gerade ausgestreckt war.
Jacks Stimme wurde lauter, fordernder, drängender. »Nicht noch höher …«
»Einen Zentimeter noch.«
»Laß los! … Nimm’s wieder runter …«
Kid bewegte es nunmehr den Bruchteil eines Zentimeters, und Jack schrie auf. Kid unterbrach die Bewegung, machte aber keinerlei Anstalten, das Bein loszulassen. Er hielt es fest, während Jacks Gesicht rot anlief und er einen wüsten Fluch ausstieß.
»Laß es runter! … Scheißkerl! … Arschloch!« Der Schweiß rann ihm über das Gesicht. Sein Hemd war jetzt triefnaß, und seine Arme, die an seiner Seite flach auf der Matte lagen, zitterten.
»Atme weiter, Jack. Tiefe Atemzüge.«
»Laß es runter! … Verdammt! Laß es endlich los!«
Kid nickte, als hätte er genau gesehen, was er hatte sehen wollen, und senkte das Bein behutsam ab. Als es den Fußboden berührte, ließ er es los. Jacks gesamter Körper wurde schlaff. Mit dem Hemdsärmel wischte er sich den Schweiß von der Stirn, und sein Atem ging so mühsam, daß er nicht reden konnte. Kid schaute auf ihn hinunter und redete langsam und akzentuiert.
»Du mußt nach dem Schrei noch zehn Sekunden weitermachen, Jack So sieht das Programm aus. Es wird nicht immer so weh tun … aber weh wird es tun. Auf diese Weise wird es dir im Laufe der Zeit immer besser gehen.«
Jack hatte seinen Atem jetzt wieder unter Kontrolle. Es dauerte einen kurzen Moment, bis er reden konnte. »Ich habe dich vermißt«, sagte er schwach. »Du alter Hurensohn.«
Fünfzehn
»Okay, ich erkläre dir genau, was wir machen werden. Und zwar nicht nur heute, sondern während der nächsten Wochen und Monate.«
Jack saß in seinem Rollstuhl. Er und Kid hielten sich in einem kleinen Raum auf, der bis zum Vortag Jacks und Carolines Büro gewesen war, etwa fünf mal fünf Meter groß, neben der Küche. Er war nun möbliert mit gepolsterten Bänken, dicken Bodenmatten, Kurz-und Langhanteln und modernen Universal-Kraftmaschinen. Laut Kid sollte dies ihr Refugium sein. Eine andere Welt, in der
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