Ice Ship - Tödliche Fracht
Mittag mit eigenen Augen gesehen habe, gehe ich davon aus, dass er tot ist. Und dann ist Ihr Leben – und das aller anderen auf dem Tanker – nicht mal mehr einen Haufen Hundedreck wert.«
Rolvaag
23.50 Uhr
McFarlane wartete in Lloyds leeren Büroräumen auf den nächsten Anruf. Durch das Panoramafenster sah er, dass draußen starker Wind aufgekommen war, von Westen her rollten gischtende Wellen auf sie zu. Das große Schiff lag im Lee der kahlen Basaltklippen, gesichert durch Taue, die von den Ankerklüsen zu Stahlbolzen im nackten Fels liefen. Alles war für die Verladung vorbereitet, sie warteten nur noch auf den für Mitternacht vorhergesagten dichten Nebel. Das Telefon auf Lloyds Schreibtisch begann ungeduldig zu blinken, McFarlane nahm seufzend ab. Das war nun der dritte Anruf in dieser Nacht. Allmählich hatte er seine Rolle als Kontaktmann und besserer Laufbursche gründlich satt. »Sam? Ich bin’s. Ist Glinn zurück?« Im Hintergrund hörte McFarlane wieder das ständige dumpfe Gedröhn wie beim letzten Anruf. Er fragte sich wirklich, von wo aus Lloyd eigentlich anrief. »Ja, er ist vor zwei Stunden zurückgekommen.« »Was hat er gesagt? Hat Vallenar das Bestechungsgeld angenommen?« »Nein.« »Dann hat er ihm bestimmt nicht genug angeboten.« »Glinn scheint der Ansicht zu sein, dass der Mann für kein Geld der Welt käuflich ist.« »Blödsinn, jeder hat seinen Preis. Vielleicht ist es jetzt zu spät, aber ich wäre bereit, zwanzig Millionen zu zahlen. Sagen Sie ihm das. Zwanzig Millionen in Gold, wohin er will. Und dazu amerikanische Pässe für ihn und seine Familie.« McFarlane erwiderte nichts. Sein Gefühl sagte ihm, dass Vallenar sich nichts aus amerikanischen Pässen machte. »Also – wie sieht jetzt Glinns Plan aus?« McFarlane schluckte. Das Spiel kotzte ihn von Minute zu Minute mehr an. »Er hat einen Plan, einen todsicheren. Aber er kann uns noch nicht einweihen. Er sagt, absolute Verschwiegenheit sei die Voraussetzung dafür, dass ...« »Blödes Gerede! Holen Sie ihn mir an die Strippe, sofort!« »Ich habe schon versucht, ihn aufzutreiben, als ich hörte, dass Sie noch einmal anrufen wollen. Er meldet sich weder über das interne Computernetz noch über Funk. Offenbar weiß niemand, wo er gerade steckt.« »Der Teufel soll ihn holen! Das kommt davon, wenn man jemandem blindlings ...« Starkes Dröhnen übertönte seine Stimme. Dann war sie wieder da, allerdings ganz schwach. »Sam? Sam?« »Ja, ich bin noch dran.« »Hören Sie, Sie sind dort unten der Repräsentant von Lloyd. Sagen Sie Glinn, er soll mich sofort anrufen. Und sagen Sie ihm, das ist ein Befehl, und wenn er ihn nicht befolgt, ist er gefeuert; ich schmeiße ihn persönlich über Bord!« »Ja«, antwortete McFarlane müde. »Sind Sie in meinem Büro? Können Sie den Meteoriten sehen?« »Nein, der liegt noch getarnt in den Klippen.« »Wann wird er aufs Schiff verladen?« »Sobald der Nebel bis hierher gezogen ist. Man hat mir gesagt, es dauert einige Stunden, den Burschen in den Tank abzusenken, und möglicherweise eine halbe Stunde, ihn zu sichern. Dann legen wir sofort ab. Dem Plan nach sind wir spätestens um fünf Uhr früh weg.« »Das wird knapp. Und wie ich höre, zieht ein neuer Sturm auf, stärker als der letzte.« »Sturm?«, fragte McFarlane zurück. Statt einer Antwort hörte er nur statisches Rauschen. Er wartete, aber die Leitung blieb tot. Nach einer Weile legte er auf. Und während er aus dem Fenster starrte, hörte er Glinns Uhr Mitternacht schlagen.
Und da wurde ihm auf einmal klar, was dieses stetige Dröhnen gewesen war, das er im Hintergrund gehört hatte: das Düsentriebwerk eines Jets. Lloyd saß in einem Flugzeug.
Almirante Ramirez
25. Juli, Mitternacht
Comandante Vallenar stand auf der Brücke und starrte durch das Doppelfernrohr. Sein Schiff lag am nördlichen Ende des Kanals, von wo aus er einen guten Überblick über alles hatte, was sich auf der Insel tat. Die Amerikaner hatten ihren Tanker zu den Felsklippen gebracht und mit Ankertauen gesichert. Der Kapitän schien sich mit den hiesigen Wetterkapriolen ja gut auszukennen. Von der Felsbank im Meer, an der die Almirante Ramirez Anker geworfen hatte, konnte er natürlich nichts wissen. Darum hatte er die zweitbeste Lösung wählen und sein Schiff im Lee der Insel festmachen müssen, in der Hoffnung, dass der in der Regel ablandige Wind es davor bewahren würde, gegen die Klippen geworfen zu werden. Dennoch blieb das Manöver für
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