Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus
Güteklasse A, waren mit einem weiÃen Bändchen gekennzeichnet. Mit ihnen das Himmelbett zu erkunden, war nur den fünf erfolgreichsten Vertretern gestattet. Und natürlich allen Vorgesetzten. Der StoÃverkehr kam schnell ins FlieÃen, es wurde, sozusagen dienstlich, gegrabscht, gestöhnt, geschrien. Vor den Himmelbetten bildeten sich Staus. Die Verkehrskenner schlugen mit ihren Damen eine Ausweichroute ein, vorzugsweise in Richtung der Toiletten.
Ãberall galt ein strenges Protokoll: Nach jedem Zusammen-Stoà zwischen einem Vertreter und einer Prostituierten bekam die Dame einen Stempel auf den Unterarm gedrückt. Zu Abrechnungszwecken. Wer mit einem Callgirl verschwand, konnte auf einen Blick sehen, wie viele Kollegen schon vor ihm das Vergnügen gehabt hatten.
Und was geschah mit Vertretern, die bei diesem Spektakel nicht mitmachten, etwa weil sie ihren Frauen treu sein wollten? Weil sie Sex für ihre Privatsache hielten? Oder weil diese schmutzige Orgie sie nicht aufgeilte, sondern nur anekelte? Sie gerieten unter massiven Gruppendruck und liefen Gefahr, als Kostverächter, als Schlappschwänze oder Spielverderber im Abseits zu stehen.
Das Stöhnen dieser Sexparty wäre nie an die Ohren der Ãffentlichkeit gedrungen, hätte nicht einer der Teilnehmer, wohl im Streit um Provisionen, gegenüber dem »Handelsblatt« die nackten Fakten auf den Tisch gelegt. Der Skandal flog auf, es rauschte im Blätterwald, und »Herr Kaiser« hatte ein Imageproblem am Hals. SchlieÃlich war die Orgie vom Geld der Kunden bezahlt worden.
Dass es Sachen gibt, die es gar nicht geben dürfte, dieser Satz aus der Mitarbeiterzeitung war richtig. Dass die Orgie »unbeschreiblich« war, stimmte ebenfalls â aber nur mit einem Zusatz: unbeschreiblich geschmacklos!
§ 9 Irrenhaus-Ordnung: Wer zweimal mit derselben pennt, der ist kein Typ fürs Management! (Achtung â das lässt sich anhand von Stempeln nachprüfen!)
Sechs Thesen zum Firmen-Sex
Aus der Sexorgie der Ergo â Hamburg-Mannheimer lassen sich interessante Rückschlüsse darüber ziehen, welche Unsitten in Irrenhäusern herrschen. Doch Firmen zielen nicht nur unter die Gürtellinie, wenn sie ihre Mitarbeiter ins Bordell lotsen, sondern auch im Alltag, beim Führen und Motivieren. Hier sechs Thesen, was sich aus der Sex-Sause der Ergo schlieÃen lässt:
1. Mehr Sex, als die Polizei erlaubt
Irrenhäuser reagieren auf Vorwürfe immer nach demselben Muster: Sie geben nur das zu, was ohnehin schon bekannt ist. Den Rest vertuschen sie. Daher wollte die Ergo ihre Sex-Eskapade als einmalige Angelegenheit verstanden wissen: nach 2007 habe es keine solchen Reisen mehr gegeben. Und in der Zeit davor? Kein Wort dazu! Doch wenn es darum geht, Mitarbeiter arbeitsgeil zu machen, Betriebsräte zu schmieren oder fette Aufträge zu angeln, ist Sex ein bevorzugter Köder. Er soll das Zünglein an der Entscheidungswaage (oder an anderen Orten) sein, um Menschen willig zu machen und lukrative Aufträge zu ergattern. Aber während sie den rauchenden Colt noch in der Hand halten, streiten die Irrenhäuser ab, geschossen zu haben.
Hatte nicht der Volkswagen-Konzern seine Betriebsräte gezähmt, indem er ihnen auf Reisen und in einer eigens dafür angemieteten Wohnung die Prostituierten wie Autos vom FlieÃband zuführte? 15 War nicht dem VW -Betriebsratsvorsitzenden Klaus Volkert seine brasilianische Geliebte von der Firma mit insgesamt 350 000 Euro wie ein teures Sexspielzeug finanziert worden? 16 Und hatte sich nicht Personalvorstand Peter Hartz selbst EdelÂhuren auf Konzernkosten von seinem langjährigen Mitarbeiter Klaus-Joachim Gebauer herankarren lassen (Gebauer: »Ich kannte ja seinen Geschmack.«)? Ausgerechnet Peter Hartz, nach dem der monatliche Hungersatz für Langzeitarbeitslose benannt ist!
Doch Konzernchef Ferdinand Piëch, der sonst das Gras bei VW wachsen hörte, wollte später nicht gewusst haben, welche Dienste über das berüchtigte Konto »1860 Vorstand Diverses« abgewickelt worden waren.
Ein weiteres Beispiel für eine Orgie lieferte letztes Jahr die Bausparkasse Wüstenrot. Die Firma hatte die 50 erfolgreichsten Verkäufer zu einer Reise nach Brasilien eingeladen. Dieses Vergnügen schlug mit 200 000 Euro zu Buche. Der Bus befand sich nachts auf der Heimfahrt von einer Veranstaltung, als er das
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