Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus
Etablissement »Barbarella« ansteuerte. Ein Teilnehmer berichtet: »Die Bustüren gingen auf, und etwa die halbe Gruppe stieg aus, inklusive Bereichsleiter und Direktoren. Ich habe nur gedacht: Das kann ja wohl nicht sein, dass uns Wüstenrot hier zum Puff kutschiert.« 17 In dem Nachtclub ging es hoch her, auch für die Direktoren: Einer wurde von der Polizei nachts am Strand mit einer Prostituierten ertappt.
Nachdem die Sache aufgeflogen war, behauptete die Wüstenrot, das Sexvergnügen sei ein privater Ausflug der Reiseteilnehmer gewesen, eine Reise während der Reise. Als Beweisstück für die eigene Redlichkeit zauberte das Irrenhaus eine Richtlinie aus der Schublade, nach der Mitarbeiter »Situationen vermeiden (sollen), bei denen persönliche Interessen und Aktivitäten auÃerhalb der geschäftlichen Tätigkeit negative Rückschlüsse auf Wüstenrot (â¦) bieten.«
Warum dieselbe Firma ihre Mitarbeiter dann ins Bordell karrte und weshalb die Chefs mit offener Hose vorangingen, geht aus der Richtlinie nicht hervor.
2. Incentives sind ein Betrugsbeschleuniger
Bei den Sexreisen handelt es sich um Incentives, um besondere Belohnungen, mit denen Firmen erfolgreiche Mitarbeiter auszeichnen wollen. Dieses Motivationsprinzip ist mehr als fragwürdig, auch bei anderen Belohnungen. Denn wenn von 10 000 Mitarbeitern 50 mit einem Incentive belohnt werden, gehen 199 von 200 leer aus, fühlen sich zurückgesetzt und bestraft. Eine verdammt schlechte Quote!
Und wie messen die Irrenhäuser den Erfolg ihrer Mitarbeiter? Immer am Umsatz! Aber was sagt die Zahl der Verträge, die ein Versicherungsvertreter abschlieÃt, über die Qualität seiner Arbeit aus? Nichts. Oder, schlimmer: nichts Gutes. Umsatzstark sind oft dieÂjenigen, die einer 95-jährigen Omi einen Bausparvertrag andrehen.
Wenn Mitarbeiter bestraft werden, die ihre Kunden seriös beraten, und andere belohnt, weil sie auf Teufel komm raus verkaufen â dann übersehen die Irrenhäuser, wovon sie leben: von langfristig zufriedenen Kunden. Mit schlechten Verträgen verhält es sich wie mit Sex-Eskapaden: Eines Tages fliegen sie auf!
3. Mitarbeiter gelten als faule Esel
Ich habe schon etliche Motivationsseminare erlebt, bei denen folgende Zeichnung zum Einsatz kam: Der Mitarbeiter wird dargestellt als Esel, auf dessen Rücken ein Reiter mit einer Stange sitzt â die Führungskraft. Vorne an der Stange baumelt eine frische Möhre, direkt vorm Maul des Esels. Und der Mitarbeiter-Esel, weil er die Möhre will, trabt rasch vorwärts. Aber die Möhre läuft mit, er kann sie nie erreichen.
Die Botschaft an die Chefs lautet erstens, dass ihre Mitarbeiter dumme Esel sind, und zweitens, dass sie mit ihrer Arbeit nur dann von der Stelle kommen, wenn sie ihnen mit Motivations-Tricks Beine machen. Die Irrenhäuser sehen ihre Mitarbeiter als Leistungsverweigerer, denen man Anreize bieten muss, zum Beispiel Sex-Reisen.
Das ist so, als sagte ein FuÃballtrainer: »Ich schreibe für meine Stürmer eine Prämie von 1000 Euro pro Tor aus â dann treffen sie öfter.« Die Unterstellung lautet: Ohne zusätzliche Möhre, sprich 1000 Euro, lahmen die Stürmer beim ToreschieÃen. Welcher Stürmer wäre da nicht beleidigt?
Mitarbeiter sind keine faulen Esel! Wie ein Stürmer immer den Ehrgeiz hat, so viele Tore wie möglich zu schieÃen, so wollen die meisten Mitarbeiter ihre Arbeit immer so gut wie möglich machen â nicht weil sie es ihrer Firma schuldig sind, sondern ihrem Selbstanspruch als mündige Menschen.
Allerdings kann es ein Irrenhaus schaffen, die intrinsische Motivation seiner Mitarbeiter zu zerstören â etwa indem ein Versicherungsvertreter seine Kunden über den Tisch ziehen muss. Die Hamburg-Mannheimer machte kurz nach der Sexreise weitere Schlagzeilen: Ãber 200 000 Kunden waren Riester-Renten verkauft worden, die am Ende 2300 Euro mehr kosteten, als in den Angeboten versprochen worden war. 18
Wenn Mitarbeiter auf solche Praktiken keine Lust haben, dann helfen keine Incentives mit Sex-Zugabe â dann hilft es nur, solche Praktiken abzuschaffen.
4. Das Frauenbild gehört ins Mittelalter
Wie kommt es eigentlich, dass bei der Ergo-Reise nach Budapest offenbar keine Vertreterin dabei war? Und warum saÃen in dem Wüstenrot-Bus, der vor dem Nachtclub in Brasilien
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