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Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Titel: Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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hätte – welche Rückmeldung würden Sie mir geben?« – »Unkonventionelle Arbeit!«, sagte ich. Er strahlte und schien meine Diplomatie mit einem Kompliment zu verwechseln.
    Ich hatte den Arbeitsplatz schon abgeschrieben, als ich drei Wochen später eine Einladung zum Zweitgespräch bekam. Offenbar hatte man die anderen Bewerber genauso wie mich behandelt, und alle waren abgesprungen. Dasselbe tat ich auch. Hier wartete ein Irrenhaus. Das musste jedem klar sein. Auch ohne Adlerperspektive.
    Johannes Bauer, Leiter Qualitätssicherung
    Betr.: Warum ich eine Baustelle fand,
wo eine Firma sein sollte
    Das war ein Schock, als ich zehn Minuten vor dem Bewerbungsgespräch etwas vermisste: die Firma, bei der ich mich vorstellen sollte. Zwar stand ich vor der Fürstenstraße 27, der Firmenadresse aus dem Briefkopf. Aber zugleich stand ich vor einem Rätsel, denn vor mir lag nur eine Baustelle. Hämmer klopften, ein Kran ragte in den Himmel, und eine Kreissäge kreischte. Offenbar wurde das Gebäude renoviert.
    Hatte ich mich in der Adresse vertan? Hektisch kramte ich das Anschreiben der Firma hervor. Nein, hier stand: Fürstenstraße 27. Gab es vielleicht einen Hintereingang? Ich wieselte um das Gebäude, doch die Baustelle blieb eine Baustelle, auch von der anderen Seite betrachtet.
    Blick auf die Uhr: noch fünf Minuten. Ich sprang zu einem Kiosk, der direkt neben der Baustelle lag: »Entschuldigung, wo finde ich die Bär KG ?« – »Die sitzen in der Steinstraße 114«, antwortete der Verkäufer.
    Ich hüpfte in mein Auto und raste los. Ein roter Blitz zuckte vom Straßenrand. Bestimmt ein gutes Bewerbungsfoto, falls ich mal bei einem Formel-1-Rennstall vorstellig werden wollte. Endlich bog ich in die Steinstraße. Das orangefarbene Firmenschild leuchtete von weitem. Ich stürmte in die Empfangshalle der Firma wie ein GSG -9-Mann in die »Landshut«. Blick auf die Uhr: über zehn Minuten Verspätung.
    Die Empfangsdame schickte mich in den zweiten Stock. Vor dem Raum, wo ich mich melden sollte, löste sich gerade eine Runde auf. Die Personalerin sagte: »Mit Ihnen haben wir nicht mehr gerechnet. Sie haben zehn Minuten Verspätung!«
    Â»Mir lag eine falsche Adresse vor«, schnaufte ich.
    Â»Könnte man auch sagen, dass Sie zu wenig Zeit für die Anfahrt kalkuliert haben?«, fragte sie spitz.
    Â»Ich war erst in der Fürstenstraße 27«, sagte ich.
    Der Blick der Frau hellte sich auf. »Können Sie mir mal Ihre Einladung zeigen?«
    Ich reichte ihr den Brief. Sie schüttelte den Kopf: »Da hat unsere Assistentin wohl einen alten Briefbogen erwischt! Wir sind vor ein paar Monaten von der Fürstenstraße hierher umgezogen. Bitte entschuldigen Sie!«
    Mein Gespräch begann 15 Minuten zu spät. Als es vorbei war, bekam ich mit, dass für den nächsten Bewerber ebenfalls eine Vermissten-Meldung vorlag. Wahrscheinlich raste er gerade von der Fürstenstraße zur Steinstraße. Der Radarfalle würde an diesem Tag nicht langweilig werden.
    Toni Winter, Sachbearbeiter
    Betr.: Warum mein Bewerbungsgespräch
mit einem Knall endete
    Als Bewerberin habe ich schon die unglaublichsten Dinge erlebt. Einmal saß ich im Vorstellungsgespräch mit einem Personaler und dem Inhaber einer mittelständischen Firma. Der Personaler führte das Gespräch in freundlichem Ton. Der Inhaber saß, im wahrsten Sinne entrückt, einen guten Meter vom Tisch entfernt. Es war unheimlich, weil er kein Wort sagte und das Schauspiel nur beobachtete – so wie ein hungriger Löwe, der unbewegt unter einem schattigen Baum liegt und auf die Antilopen-Wiese starrt.
    Er kommentierte meinen Auftritt auf seine Weise: nonverbal. Als ich meinen Berufsweg schilderte, atmete er ganz tief ein, als wollte er sagen: »Langweil mich nicht!« Als ich meine Freude am Umgang mit Menschen als Stärke nannte, ließ er zischend Luft durch seine Zähne entweichen, vielleicht hieß das: »Damit kannst du hier nichts werden!« Und als ich davon erzählte, was ich in meiner letzten Firma gelernt hatte, sah ich, wie er die Augen verdrehte.
    Mir war, als würde er mich für komplett unfähig und dieses Gespräch für eine einzige Zeitverschwendung halten. Wie richtig ich damit lag, wurde nach einer Viertelstunde deutlich: Ich war gerade dabei, von meiner Erfahrung im Export zu

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