Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus
bewiesen?
Genauso gut hätte die Bewerberin die andere Stelle ablehnen, dann aber von einem Irrenhaus hören können: »Wenn Sie so unbeweglich sind, sind Sie bei uns an der falschen Adresse.«
Lebensgefährlich für Bewerber sind Fragen nach ihrer Ex-Firma. Dieses Gelände ist so vermint, als wenn sich Ihre neue Liebe nach der Ex erkundigt. Alles, was Sie jetzt sagen, wird gegen Sie verwendet! Der erste Fehler wäre: von der Ex(-Firma) zu schwärmen. Das würde beim Irrenhaus-Direktor zu Eifersuchtsanfällen führen, gegen die ein Vulkanausbruch nur ein kochender TeeÂkessel wäre.
Der zweite Fehler wäre: die Ex(-Firma) als wenig attraktiv darzustellen. Warum, in drei Teufels Namen, haben Sie sich dann mit ihr eingelassen? Etwa deshalb, weil sich gerne Gleich zu Gleich gesellt, Mittelmaà zu Mittelma� Und wollen Sie damit etwa behaupten, auch Ihre neue Firma sei ⦠Pfui!
Der dritte Fehler wäre: nichts oder sehr wenig zu sagen. Daraus würde geschlossen, dass Sie ein dunkles Geheimnis verschweigen. Haben Sie aus Ihrem letzten Vorgesetzten vielleicht einen Chefsalat gemacht?
Ein Bewerber, der oft gewechselt hat, gilt bei Irrenhäusern als sprunghaft. Ein Bewerber, der seiner Firma seit Jahrzehnten treu ist, gilt als unbeweglich. Ein Bewerber, der viel redet, gilt als vorlaut. Ein Bewerber, der wenig redet, gilt als verstockt. Ein Bewerber, der vorzüglich studiert hat, gilt als »Theoretiker«. Ein Bewerber, der nicht vorzüglich studiert hat, gilt als intellektuelle Nullnummer ⦠Irrungen und Wirrungen.
Doch am Ende des Gespräches dürfen Sie sicher sein: Die Tundra ist bis auf den letzten Zentimeter vermessen. Denn nun hat der Irrenhaus-Direktor, statt Ihnen zuzuhören, endlich Ihren Lebenslauf durchgelesen!
§ 15 Irrenhaus-Ordnung: Alles, was ein Bewerber im Vorstellungsgespräch sagt, kann gegen ihn verwendet werden. Dies passiert aber nur selten, in der Regel hört ihm keiner zu.
Indiskretion Ehrensache
Meine Klientin Doris Inger (37) arbeitete in der Touristikzentrale eines bekannten Kurortes in der Schwäbischen Alb. Ihr Chef, ein tyrannischer Faulpelz, schaufelte sie mit Arbeit zu. Den KurproÂspekt entwickeln? Urlaubsgäste nach 17.00 Uhr begrüÃen? Reden am Wochenende halten? All diese eigenen Arbeiten schob er, der Kurdirektor, auf Inger ab. Um spätestens 16.15 Uhr verkrümelte er sich in den Feierabend. Inger rauchte der Kopf vor lauter Arbeit, und ihr Privatleben litt: Sie schob endlos viele Urlaubstage vor sich her.
Dabei konnte sie ihrem Chef nichts recht machen. Mehrfach hatte er sie sogar vor Gästen angeraunzt. Wenn eine Musikband, die sie engagiert hatte, im Verkehrsstau steckte, dann war das natürlich ihr Versagen! Und dass sich im neuen Prospekt ein Foto aus dem Vorjahr fand, lag natürlich nicht am knappen Foto-Etat, sondern an »Ihrer typischen Schlampigkeit«.
Doris Inger kam sich in der 500-Seelen-Gemeinde wie in einem Gefängnis vor. Jeder kannte hier jeden. Wenn Sie abends im örtlichen Restaurant ein Glas Wein trank, konnte ihr der Chef am nächsten Tag die Sorte sagen. Sie hatte nur noch einen Wunsch: Sie wollte raus! Raus aus diesem Irrenhaus! Und raus aus diesem Dorf!
Mit meiner Unterstützung bewarb sie sich bundesweit in Touristikzentralen als Geschäftsführerin. Das Interesse war groÃ. Unter anderem meldete sich eine bekannte Ostsee-Gemeinde bei ihr, nennen wir sie O-Dorf. Man lud sie zum Vorstellungsgespräch ein. Doris Inger hielt eine vorzügliche Präsentation, und der Bürgermeister sagte zum Abschied: »Ich vermute, wir sehen uns bald wieder.«
Ãber die Eckdaten des Vertrages, so über das Gehalt, war noch kein Wort gesprochen worden. Sicher würde das beim Zweitgespräch geklärt.
Inzwischen war der Chef von Doris Inger misstrauisch geworden. Warum hatte sie nun schon mehrere Ein-Tages-Urlaube genommen? Er witterte einen Hochverrat und drohte ihr: »Wenn Sie uns in der laufenden Saison verlassen, mache ich Ihnen die Hölle heiÃ!«
Nach zweieinhalb Wochen klingelte endlich Doris Ingers Handy, und die Vorwahl von O-Dorf leuchtete auf. Ein Mann meldete sich: »Ich bin Redakteur der Lokalzeitung in O-Dorf und möchte Ihnen zu Ihrer neuen Position als Geschäftsführerin unserer Tourismuszentrale gratulieren. Worauf freuen Sie sich im neuen Job am meisten?«
Doris Inger wäre fast das Handy aus
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