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Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Titel: Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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deutschen Zentrale, eine von der englischen Niederlassung. Es ging um unterschiedliche Stellen.
    In den Vorstellungsgesprächen merkte ich schnell: Die beiden Unternehmens-Einheiten konkurrierten um meine Gunst. In Deutschland ließ man kein gutes Haar an den Engländern: »Seien Sie vorsichtig! Einige Kollegen in England führen sich gegenüber Deutschen auf wie Fußballrowdys.« Dagegen flüs terte man mir in England ein, die Kollegen in Deutschland wür den die Erfolge zwar »solide verwalten«, aber erzielt würden diese in England. Man hätte meinen können, dass ich mich nicht bei ein und demselben Unternehmen bewarb, sondern bei zwei Konkurrenzfirmen.
    Die Gespräche liefen hervorragend. Ich rechnete fest mit zwei Zusagen. Innerlich hatte ich mich schon für Deutschland entschieden. Umso verblüffter war ich, als aus der Zentrale eine knappe Absage kam. Und danach aus England. Man bedauerte, mir keine der Positionen anbieten zu können.
    Mein Freund hatte einen guten Draht in die Personalabtei lung. Ich bat ihn, der Sache nachzugehen. Er fand heraus: Meine Bewerbung war zunächst in den internationalen Bewerberpool geflossen – daher die Reaktion aus Südafrika. Das Mutterhaus und die Engländer wollten mich beide. Aber man hatte sich einfach nicht einigen können, wer mich bekommen sollte. Wie in einem kaukasischen Kreidekreis war an mir gezerrt worden. Es kam mir ein neues Sprichwort in den Sinn: Wenn zwei sich streiten, büßt es der Dritte!
    Volker Becker, Bauingenieur
    Betr.: Wie ich unfreiwillig zur Lauscherin
an der Wand wurde
    Ich hatte mich als Assistentin bei einem Konzern beworben. Das Vorstellungsgespräch war gut gelaufen. Nun hatte ich es eilig: Ich musste zur Toilette. Die Assistentin, die mich zum Ausgang begleiten sollte, führte mich also in die Gegenrichtung, zum WC . Ob ich den Weg zum Ausgang alleine fände? Klar doch!
    Ein paar Minuten später hatte ich mich frisch gemacht und wollte gerade um die Ecke zum Ausgang biegen, als ich zwei vertraute Stimmen hörte: Die beiden Herren, mit denen ich das Gespräch geführt hatte, unterhielten sich auf dem Flur. Sie waren laut wie eine Stammtischrunde nach dem achten Bier, jeder auf dem Flur konnte sie hören. Immer wieder brachen sie in Gelächter aus.
    Â»Hast du diese Stiefel gesehen?«, feixte der eine. »So geht man in den Pferdestall, aber nicht in ein Vorstellungsgespräch!« Der andere prustete und sagte: »Ich fand die blöde Antwort zu ihrem Berufswechsel noch viel peinlicher!« Mit einer hohen, quietschenden Stimme sagte er: »Mein Bauchgefühl hat mir geraten: Lass dich umschulen!« Brüllendes Gelächter. Ich erkannte meinen Satz. Aus seinem Mund klang er wie eine Idiotie.
    Ich stand da wie eine Salzsäule, gedemütigt und beschämt. Und dann beging ich einen Fehler, den ich bis heute bereue: Statt um die Ecke zu biegen und den beiden Typen ins Gesicht zu sagen, was ich von ihnen hielt, zog ich mich auf die Toilette zurück. Ich ließ zehn Minuten verstreichen und machte mich dann – die Bahn war wieder frei! – in aller Stille vom Acker.
    Bis heute frage ich mich: Wenn schon ein Gespräch von einer Stunde reicht, um von den Vorgesetzten derart verunglimpft zu werden – wie sprechen sie dann über einen Mitarbeiter, den sie zehn Jahre um sich haben?
    Carla Petros, Assistentin
    Betr.: Wie mein Vorstellungsgespräch
zu einem Vorlesegespräch wurde
    Mein Vorstellungsgespräch bei einem bekannten Technologiekonzern in Bayern begann mit einem verblüffenden Bekenntnis: »Ich bin leider nicht dazu gekommen, Ihre Unterlagen anzuschauen«, sagte der Bereichsleiter, nachdem er in letzter Sekunde in den Raum gestürmt war. »Sind Sie so nett, mir Ihren Lebenslauf einmal kurz vorzulesen?«
    Vorlesen? War das jetzt ein Witz? Doch sein Gesicht blieb ernst. Wie ein Schulkind bei einer Leseübung (ich war aufgeregt!) stammelte ich mich durch Jahreszahlen, Abkürzungen, Lebenslauf-Stationen. Es gibt wohl kein Dokument im ganzen Universum, das fürs Vorlesen weniger geeignet ist als ein Lebenslauf.
    Kaum hatte ich geendet, sah der Bereichsleiter streng die Fachchefin an: »Und warum, bitte schön, habt ihr den gewählt?« Das Wort »den« betonte er so, als würde er einen Kirschkern ausspucken. Die Abteilungsleiterin musste sich rechtfertigen, mich eingeladen zu haben, obwohl ich

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