Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus
Betriebsgeheimnissen steht unter strenger Strafe. Doch welche Strafe erwartet eigentlich Irrenhäuser, die Bewerbergeheimnisse verraten? Im Fall von Doris Inger: eine Geldstrafe! Denn ich regte sie an, ein weit überdurchschnittliches Gehalt zu fordern. SchlieÃlich war ihre Einstellung schon per Zeitungsschlagzeile verkündet worden, und das machte einen Rückzieher nahezu unmöglich.
Die Forderung löste einiges Knurren aus. Am Ende wurde sie erfüllt.
§ 16 Irrenhaus-Ordnung: Der Name eines Bewerbers wird so geheim gehalten wie alle streng vertraulichen Dokumente in einem Irrenhaus â zum Beispiel der Speiseplan der Kantine.
Irrenhaus-Sprechstunde 8
Betr.: Warum Bewerbungen bei uns
direkt in den Papierkorb wandern
Die Arbeit wuchs uns über den Kopf. Wir waren radikal unterbesetzt für ein Unternehmen, das pro Monat bis zu tausend Bewerbungen bekommt. Das Problem wuchs mit der Flut der Online-Bewerbungen. Jede einzelne zu sichten, zu bewerten und zu beantworten â das war kaum mehr zu schaffen.
Also baten wir den Personalvorstand um Unterstützung. Wir meinten damit: zusätzliches Personal. Seine Idee war eine andere: die »vollautomatische Absage«. »Was Sie beim Aussortieren machen«, dröhnte er in einer Sitzung, »das kann auch ein Computerprogramm. Es muss nur richtig programmiert sein!«
Aussichtslose Bewerber sollten sofort nach Eingang ihres Bewerbungsformulars eine vollautomatische Absage erhalten.
Ein solches Vorgehen hätte sich auf das Image unserer Firma ausgewirkt, als hätten wir die Bewerber geohrfeigt. Jedem von ihnen wäre klar gewesen, dass die Unterlagen erst gar nicht geprüft worden sind. Wer mehrere Stunden in seine Bewerbung investiert, aber schon nach Sekunden eine Absage bekommt, muss sich vor den Kopf gestoÃen fühlen! Und was, wenn man diesen Menschen zu einem späteren Zeitpunkt oder für eine andere Stelle hervorragend als Arbeitskraft gebrauchen könnte?
Deshalb entwickelte der Personalvorstand mit der IT -Abteilung eine diplomatische Variante: Jener Bruchteil der Bewerber, der in ein gewisses Raster passt, bekommt die automaÂtische Antwort, seine Bewerbung werde »weiterverfolgt« â was tatsächlich stimmt. Der groÃen Mehrheit der Bewerber, die nicht ins Raster passten, wird jedoch beschieden: »In dem Fall, dass wir Ihre Bewerbung weiterfolgen, hören Sie erneut von uns.« Und während der Bewerber hofft, seine Unterlagen würden eingehend geprüft, sind diese bereits in der virtuellen Mülltonne gelandet, ohne jemals von einem Menschen gesichtet worden zu sein. Einstein hätte nur ein Kreuz an der falschen Stelle des Online-Bogens setzen müssen, schon wäre er als Konzern-Physiker aus dem Rennen gewesen. Ich wette, wir sortieren massenweise Top-Bewerber aus.
Ob uns dieses Vorgehen wirklich Arbeitszeit spart? Nie im Leben! Manchmal kostet es mich mehrere Stunden am Tag, die wütenden Nachfragen der Bewerber zu beantworten. Immer wenn das Telefon klingelt, fürchte ich: Da will wieder einer wissen, was aus seiner Bewerbung geworden ist. Und antworten Sie mal auf eine solche Anfrage, ohne dass Sie die Bewerbung und ihre Zielposition überhaupt kennen!
Tatsächlich haben wir keinen Zugriff auf die automatisch aussortierten Bewerbungen. Offiziell zum Schutz der Daten. In Wahrheit soll wohl verhindert werden, dass wir die Unterlagen doch manuell durchschauen. Das könnte ja Zeit kosten! Dann lieber stundenlange Telefonate und Mailwechsel mit »vollautomatisch« abgewiesenen Bewerbern führen.
Vielleicht sollte ich das unserem Personalvorstand einmal mailen. Aber wahrscheinlich käme blitzschnell die Antwort: »Für den Fall, dass ich Ihren Verbesserungsvorschlag weiterverfolge, hören Sie erneut von mir â¦Â«
Heidi Berger-Klar, Personalreferentin
Betr.: Wie ich einen Krieg zwischen Deutschland und England entfachte
Ein Freund von mir arbeitete für einen internationalen Konzern und gab mir den Tipp, mich dort zu bewerben. Das tat ich und löste damit ein heilloses Chaos aus: Meine Bewerbung auf eine Stelle im deutschen Mutterhaus wurde mit einer Absage beantwortet. Allerdings in englischer Sprache. Und aus Südafrika! Wie, um Himmels willen, hatte sich meine Bewerbung auf einen anderen Kontinent verirrt?
Was dieser Absage folgte, kam ebenso unverhofft: zwei Einladungen zu Vorstellungsgesprächen. Eine von der
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