Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus
Vertriebler kam es noch an.
Ein Jahr später enthüllten die Geschäftszahlen ein Desaster: Obwohl der Markt anzog, hatten wir im ersten Jahr nach der Abteilungsfusion das Vorjahresergebnis unterschritten. Die Geschäftsleitung hob die Zwangsehe zwischen den beiden Abteilungen wieder auf. Doch das Verhältnis blieb zerrüttet.
Und die Unternehmensberater, die uns in diese schwierige Situation gebracht hatten? Sie waren schon längst in den Weiten des Marktuniversums verschwunden. Mir kam es vor, als hätten sie uns eine Zeitbombe ins Büro gerollt. Die Explosion tangierte sie nicht mehr.
Mellissa Golden, Einkäuferin
Betr.: Warum Berater-Papageien
mehr Gehör als Mitarbeiter finden
Seit Jahren lagen wir unserer Verlagsleitung in den Ohren: Wir wollten ein neues Redaktionssystem. Die Zusammenarbeit zwischen Redakteur, Schlussredakteur und Grafiker hakte, weil unser System nicht mehr auf dem neusten Stand war. Wir verplemperten viel Zeit bei der Produktion. Noch dazu wirkte das Layout unseres Blattes altmodisch.
Doch unser Wunsch prallte an der Verlagsleitung ab. Man sah das, was für uns eine Notwendigkeit war, als unverschämte Forderung. »Das alte Redaktionssystem reicht völlig aus«, wurde uns mehrfach beschieden.
Dann kam eine Unternehmensberatung in unseren Verlag, um »Optimierungspotentiale« zu sichten. Die Berater führten Gespräche mit Redakteuren und Grafikern. Dabei hallte ihnen sofort der vielstimmige Wunsch nach einem neuen Redaktionssystem entgegen. Sie, offenbar branchenfremd, lieÃen sich erklären, warum die Anschaffung so wichtig war. Dann kleideten sie dieses Anliegen in eine wichtigtuerische Analyse, wahrscheinlich voller Effizienz-Vokabeln, und gaben es an die Geschäftsführung weiter. Ich wette, sie haben es als ihre eigene Idee verkauft.
Und siehe da: Dieselben Türen, gegen die wir vergeblich angerannt waren, flogen in Windeseile auf. Sechs Wochen später bekamen wir ein neues Redaktionssystem. Unser Wunsch war von der Verlagsleitung als Hirngespinst gewertet worden. Die Empfehlung der Unternehmensberatung, die viel Geld kostete, kam dagegen wie ein Wink des Himmels an. Der Verstand wurde nicht im Unternehmen vermutet (dort sind ja nur Mitarbeiter!), sondern auÃerhalb (dort sind Berater!).
Mit dem neuen Redaktionssystem bekamen wir die Gewissheit: Unser Wort war den Oberbossen nichts wert. AuÃer, ein paar Berater-Papageien plapperten es nach. Dann galt es als weise und zukunftsweisend.
Anja Vier, Redakteurin
6.
Führung mit Knall:
Bombenchefs im Einsatz
C hefs können nicht alles richtig machen! Das ist wahr. Aber müssen sie deshalb gleich alles falsch machen? In diesem Kapitel erfahren Sie â¦
warum viele Chefs keine eigene Meinung haben, nur einen eigenen Vorgesetzten,
wie sich ein Irrenhaus-Direktor über seinen Mitarbeiter so lange lustig machte, bis er selbst zum Gespött der Nation wurde,
wie ein Vorgesetzter seine Flensburger Punkte an einen Mitarbeiter delegierte
und wie Ihr eigener Boss beim groÃen »Chefidioten-Test« abschneidet.
Der Chef ohne Gewähr
Für alles, was der kaufmännische Leiter Jan Kramer sagte, galt dasselbe wie für die Lottozahlen: Es war ohne Gewähr. Mit derselben Ernsthaftigkeit, mit der er heute eine neue Strategie ansagte, konnte er am nächsten Tag das Gegenteil behaupten. Seine Meinung wechselte er wie bei Michael Schanzes alter Kindersendung »1, 2 oder 3«: In letzter Sekunde sprang er noch auf ein anderes Meinungsfeld. Er stand immer dort, wo er den lautesten Applaus der Geschäftsführung erwarten konnte.
Einmal hatte ein Zulieferer zum wiederholten Mal seine Termine verfehlt. Die Mitarbeiter der Abteilung waren sauer, denn die Fehler blieben an ihnen hängen. Jan Kramer stimmte in diesen Chor ein und versprach: »Den Zulieferer nehme ich ins Gebet. Noch diese Woche lade ich den Produktionsleiter vor und ziehâ ihm die Ohren lang.«
Aber das Donnerwetter blieb aus; keiner der Verantwortlichen des Zulieferers wurde gesehen. Im Gegenteil, die Mitarbeiter bemerkten, dass sich beim nächsten Projekt schon wieder eine Verspätung anbahnte. Die Industriekauffrau Irene Kloà (34) sprach ihren Chef deshalb an: »Was ist denn jetzt mit dem Anpfiff für den Zulieferer?«
Er tat erstaunt: »Anpfiff? Wir müssen doch froh sein, dass wir einen so kompetenten Partner haben.«
Irene Kloà traute ihren Ohren nicht und
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