Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus
drei Flaschen. Aber der Frust steckte noch immer wie ein Kloà in meinem Hals.
Abdul Buruk, Arbeiter
Betr.: Als ich für Mobbing einen
Judaslohn bekommen sollte
In den Medien heiÃt es immer: arme Zeitarbeiter! Schlecht bezahlt, schlecht behandelt, oft gemobbt! Das mit der schlechten Bezahlung kann ich unterschreiben. Aber was das Mobbing angeht, habe ich einmal das krasse Gegenteil erlebt. Wir waren drei Zeitarbeiter, alle Akademiker. Die Buchhaltung eines groÃen Autozulieferers hatte uns angefordert. Der Chef der Abteilung machte uns sofort Hoffnung: »Es liegt an Ihnen, ob Sie übernommen werden. Strengen Sie sich einfach an!«
Aber wie? Es gab fast nichts zu tun, die Mitarbeiter drehten Däumchen. Schon bald fragte ich mich: Warum zahlt eine Firma für Zeitarbeitskräfte, obwohl ihre eigene Belegschaft die Arbeit locker bewältigen könnte?
Die Antwort dämmerte mir, als wir Zeitarbeiter eine Besprechung mit unserem Abteilungsleiter hatten. Angesprochen darÂauf, dass nicht gerade viel zu tun sei, meinte er: »Kann schon sein, dass in meiner Abteilung ein paar Mitarbeiter zu viel sind. Jemand muss gehen â aber warum ausgerechnet Sie?« In Einzelgesprächen wurde er noch deutlicher: »Die älteren Mitarbeiter kassieren fette Gehälter und bringen magere Leistung. Sie dagegen sind jung und bezahlbar. Wie wäre es, den Ãlteren mal ein wenig Feuer unterm Hintern zu machen?«
»Wie meinen Sie das?«, fragte ich.
Er schob seinen Kopf nach vorne und flüsterte: »Helfen Sie einfach ein bisschen nach, damit den Alten die Lust vergeht. Meine Rückendeckung haben Sie. Und der erste feste Arbeitsplatz, der frei wird, gehört Ihnen.«
Ich saà da mit offenem Mund: Der Abteilungsleiter einer angesehenen Firma hatte mich zum Mobben aufgefordert und mit einem Judaslohn gewinkt. Am Monatsende habe ich mich von meiner Zeitarbeitsfirma abziehen und in eine andere Firma vermitteln lassen.
Später hörte ich: Die Rechnung des Chefs war aufgegangen. Angestachelt von einem Zeitarbeiter, war die ganze Abteilung über einen älteren Kollegen hergefallen. Dieser bekam psychische Probleme und ging schlieÃlich in Frührente.
Einzige Genugtuung: Nachdem die Stammbelegschaft noch weiter zusammengeschmolzen war, bestellte man alle Zeitarbeiter ab. Keiner bekam einen der frei werdenden Arbeitsplätze. Mitarbeiter auf die billigste Weise abzuservieren und sie niemals zu ersetzen, darum war es gegangen.
Echte Sparfüchse sparen an allem â sogar am Judaslohn!
Claas Schön, Betriebswirt
Der Schlosser und die Sklavenhändler
Es schien dem Schlosser Emanuel Klein wie ein Sechser im Lotto, als ihm ein Stellenangebot der Essener Firma Gamatec Personaldienste auf den Tisch flatterte. Ausgerechnet vor seiner Tür, in Dresden, suchte die Zeitarbeitsfirma aus dem Westen einen Mitarbeiter. Bislang war er als Leihgabe fast immer in die alten Bundesländer kommandiert worden. Das bedeutete: endlose Fahrten. Und teure Rückfahrten an den Wochenenden.
Hoffnungsvoll bewarb er sich, auch weil er gerade eine begehrte Qualifikation erworben hatte: den SchweiÃerpass. Seine Bewerbung stieà auf Gegenliebe. Ein Gamatec-Mitarbeiter rief an und versprach, den Arbeitsvertrag zu mailen.
Emanuel Klein erinnert sich: »Ich druckte alle Seiten aus, und schon bei Paragraph eins des Vertrags packte mich die Wut.« In dem Vertrag hieà es:
Vereinbarung über ein Einfühlungsverhältnis
Der Mitarbeiter erklärt sich bereit, zur Ãberprüfung seiner Qualifikation zwei Tage unentgeltlich eingesetzt zu werden (â¦) Für die Zeit der Eignungsprüfung (â¦) ist der Mitarbeiter nicht über die Gamatec GmbH versichert. Die nötige Arbeitsschutzausrüstung stellt der Mitarbeiter persönlich zur Verfügung.
Zu diesem Zeitpunkt war Klein kein Irrenhaus-Novize mehr. Für sechs andere Zeitarbeitsfirmen hatte er schon gearbeitet, eine schlimmer als die andere. So fuhr er zum Gewerkschaftshaus. Sein Betreuer »Wolle«, mittlerweile ein guter Bekannter, las mit finsterer Miene den Vertrag. Dann schimpfte er: »Einfühlungsverhältnis? Was ist denn das für ein Blödsinn! Das klingt ja, als würdest du im Puff arbeiten. Du willst doch aber auf den Bau oder in die Fabrik. Und zur Ãberprüfung deiner Qualifikation ist doch die Probezeit da.«
Der Gewerkschafter witterte: »Na klar, du sollst dort zwei
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