Ich arbeite in einem Irrenhaus
Werbeslogan.
Diese Geringschätzung gegenüber der Personalabteilung ist in zahlreichen Firmen offensichtlich. Der Einfluss der Personalvorstände in den großen Unternehmen ist etwa so begrenzt wie der des Entwicklungshilfeministers im Bundeskabinett. Ihr Aufgabenfeld gilt als nette Spielwiese. Immer wieder wird den Personalabteilungen vorgehalten, sie brächten kein Geld in die Kasse wie andere Abteilungen, sondern würden nur welches verschleudern, etwa für Fortbildungen.
Dabei ist die Personalpolitik die Lebensader eines Unternehmens. Nur wenn durch diese Ader frisches Mitarbeiterblut ins Unternehmen fließt, nur wenn die größten Talente für die Firma gewonnen, in ihrer Entwicklung gefördert und auf diese Weise gehalten werden, kann ein Unternehmen kreativer, produktiver, besser als die Konkurrenz sein.
Betr.: Als mir ein Praktikant die Firmentür zuschlug
Auf meine Bewerbung bei einem Hersteller von Bionahrungsmitteln bekam ich die abenteuerlichste Absage meines Lebens. Ich hatte mich als Abteilungsleiterin beworben, doch die Firma ließ mich wissen: »Die von Ihnen angestrebte Position einer Prokuristin wurde anderweitig vergeben.« Dabei hatte ich mich gar nicht als Prokuristin beworben!
Ich wollte dem Unterzeichner des Briefes eine Mail schicken. Vielleicht lag ein dummes Missverständnis vor. Doch als ich die Mailadresse sah, stieg mir die Zornesröte ins Gesicht: praktikant@Xy-Firma. War das möglich, dass mir ein Praktikant auf diese Weise die Tür zu meinem Wunschunternehmen vor der Nase zuschlug? Und das, obwohl ich als Führungskraft einen angesehenen Namen habe?
Ich habe keine Mail mehr geschrieben. Seither nutze ich jede Gelegenheit, um in meiner kleinen Branche vor diesem Arbeitgeber zu warnen.
Bettina Schwer, Biologin
§11 Irrenhaus-Ordnung: Ein neuer Mitarbeiter wird auf dem schnellsten Weg zur Vernunft gebracht und von seinen fixen Ideen geheilt. Als Vernunft darf gelten, was die Firma schon immer tat – als fixe Idee, was der Mitarbeiter einführen will.
Ein Witz namens Assessment Center
Ein Irrenhaus, das etwas auf sich hält, nimmt nicht jeden Dahergelaufenen auf. Nur die besten Bewerber werden in das Arbeitshimmelreich der Firma vorgelassen. Doch wie gelingt es, diese Crème de la Crème zuverlässig abzuschöpfen? Wer sich nur auf die Bewerbungsunterlagen und auf Einstellungsgespräche verlässt, kann Bewerbungsschwindlern aufsitzen.
Doch gottlob ist die Personalauswahl im 21. Jahrhundert nicht mehr auf die Instrumente des vorindustriellen Zeitalters angewiesen. Mittlerweile gibt ein Ausleseinstrument, das der herkömmlichen Bewerberauswahl so weit überlegen scheint wie das Flugzeug der Postkutsche: das Assessment Center.
Bei dieser Methode mit wissenschaftlichem Anspruch ist nicht mehr entscheidend, was der Bewerber von sich behauptet, sondern vielmehr, wie er in realitätsgetreuen Situationen handelt. Die Kandidaten durchlaufen einen Übungsparcours. Derweil schauen ihnen professionelle Beobachter, zum Beispiel Psychologen, auf die Finger und den Mund. Jedes Wort, jede Bewegung wird interpretiert, um daraus Schlüsse auf das spätere Verhalten am Arbeitsplatz zu ziehen.
Schon mehrfach hatte ich die Gelegenheit, Assessment Centern als Beobachter beizuwohnen. Was passiert genau? Es gibt zwei Arten von Übungen: solche, die der Bewerber allein absolviert, etwa seine Selbstpräsentation; und solche, bei denen mehrere Teilnehmer gemeinsam antreten, etwa die Gruppendiskussion.
Diese Diskussion ist oft das Zünglein an der Waage. Den Möchtegern-Insassen wird ein Thema vorgegeben, sagen wir: »Bietet die Finanzkrise auch Chancen – oder ist sie vor allem ein Desaster?« Und dann, wie mit einem Gong im Boxring, ist der Diskussionskampf eröffnet.
Die Beobachter auf der Tribüne möchten nun sehen, wie sich die Bewerber in der Arena schlagen. Wer das Wort gleich an sich reißt und es in der nächsten Viertelstunde nicht mehr loslässt, ist als Egomane enttarnt und abgeschrieben. Wer wie ein Fähnchen im Wind schwankt, mal diesen, mal jenen Standpunkt teilt, wird als Meinungs-Angsthase verurteilt. Wer dagegen aktiv zuhört, seine Meinung klar äußert und schließlich eine konstruktive Lösung ansteuert, geht als Charakterheld und Kommunikationstalent aus der Übung hervor.
Nur zwei Haken hat dieses Spielchen. Erstens zeigt auf dieser Bühne niemand sein natürliches Verhalten. So wie ein Schulkind, wenn es vom Lehrer beobachtet wird, dem anderen keinen Schneeball ins
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