Ich arbeite in einem Irrenhaus
Wie ich einen Trainer mit Erfolg bestach
Unser Konzern bietet ein umfangreiches Fortbildungsprogramm. Die meisten Seminare gehen aber so weit an der Praxis vorbei, dass man sie nur absolviert, um eine Teilnahmebestäti gung zu erwerben. Externe Trainer leiten diese Kurse. Jeder Trainer wird von den Teilnehmern benotet. Gute Bewertungen bedeuten: Folgeaufträge.
Diese Tatsache brachte mich und einen Kollegen vor Jahren auf eine Idee. Bei einem besonders langweiligen Wochenseminar haben wir uns den Trainer geschnappt und ihm ans Herz gelegt, er möge sein Seminar am Freitag schon mittags beenden (statt um16 Uhr, wie geplant) – es würde seiner Bewertung dienen. Der Trainer zögerte. Aber als die ganze Gruppe mit guten Noten winkte, ließ er sich auf den Kuhhandel ein.
Diese Strategie hat sich unter den Mitarbeitern, aber auch unter den Trainern herumgesprochen. Mittlerweile sind die meisten »Acht-Stunden-Seminare« spätestens nach sechs bis sieben Stunden vorbei. Morgens wird später begonnen, mittags länger Pause gemacht, abends früher aufgehört.
Die Trainer mit den besten Bewertungen, die scheinbaren Didaktikgenies, werden von unserer Personalabteilung immer wieder gebucht. In Wirklichkeit sind es oft diejenigen, die am frühsten Feierabend machen – und auch sonst im Schongang fahren.
Lars Grünert, Analyst
§21 Irrenhaus-Ordnung: Es stimmt nicht, dass Firmen gegen Fortbildung sind – sie sind nur dagegen, dass Fortbildungen etwas kosten. Und dass Mitarbeiter in dieser Zeit fort sind.
Im Bildungsdschungelcamp
Die Einladung an die mittleren Manager des Personaldienstleisters kam von ganz oben, vom Irrenhaus-Direktor. Er trommelte seine leitenden Angestellten zu einer »Teambildungsmaßnahme« zusammen, deren Überschrift aus einem Reisekatalog hätte stammen können: »Einmaliges Gipfelerlebnis für Führungskräfte«.
Die Eingeladenen zuckten zusammen. Hatten sie nicht schon in der Vergangenheit erlebt, dass ihr Chef die Fortbildungen als Abenteuerspielplatz missbrauchte? Waren sie nicht schon ohne Kompass durch einen dichten Wald in Mecklenburg geirrt? Hatten sie nicht schon mit bloßer Hand Forellen in einem Alpenbach gefangen? Das alles war zwar albern, wurde aber nicht als »Kinderferienspaß«, sondern als »Teambuilding« verkauft.
War das Team denn so marode, dass Bauarbeiten nötig waren? Und ob! Immer wieder kamen sich Mitarbeiter beim Konkurrenzkampf ins Gehege. Der Irrenhaus-Direktor schürte diese Duelle. Er warf den Mitarbeitern interessante Projekte hin mit dem Satz: »Bitte einigen Sie sich, wer dafür am kompetentesten ist.« Dann sah er amüsiert zu, wie sich die Projektleiter in die Haare kriegten. Oder er rieb einer Führungskraft die andere öffentlich als Vorbild unter die Nase: »Da sollten Sie sich mal ein Beispiel an Herrn Müller nehmen …« Was dazu führte, dass der so Gelobte die Eifersucht, ja den Hass des anderen auf sich zog.
Dieser Umgang hatte zu Konkurrenzdruck, zu einer ausgeprägten Ellbogen-Mentalität geführt. Jede Führungskraft schlug Saltos, um vor dem Irrenhaus-Direktor zu glänzen. Einzelgespräche bei ihm waren begehrter als Audienzen beim Papst. Und wann immer der Herr Direktor zu einem Meeting lud, konnte er amüsiert die Sandkasten-Rangkämpfe seiner Untergebenen beobachten.
Kein Manager wäre im Traum auf die Idee gekommen, sein Wissen mit den Kollegen zu teilen. Wenn doch mal ein Tipp geäußert wurde, dann höchstens eine Anleitung zum Sprung in einen Fettnapf.
Dieses Klima hatte der Irrenhaus-Direktor selbst heraufbeschworen. Doch er, der Konfliktstifter, gab jetzt den Harmonieminister und lud zum »Teambuilding«.
Worin das »Gipfelerlebnis für Führungskräfte« bestand, hat mir mein Klient Arno Tweer (51) erzählt: »Wir mussten auf einen Berg in der Schweiz klettern. Das war keine Wanderung, das war ein richtiger Aufstieg in einer Bergwand.«
»Ist das nicht gefährlich?«, fragte ich.
»Nein, das lief wie in einem Kletterpark. Wir hatten Profis dabei – an ihrer Spitze ein Bergsteig-Trainer –, die uns mit ihren Seilen gesichert haben. Aber das war nur für den Notfall gedacht. Die erste Aufgabe bestand darin, dass wir uns gegenseitig unterstützen und sichern: Haken eintreiben, Routen auskundschaften, uns in der Wand verständigen.«
»Sind denn alle Führungskräfte einigermaßen sportlich?«
Er grinste: »Eben nicht! Ich bin ja Läufer, schlank und beweglich. Doch ein Kollege von mir ist so übergewichtig, dass ich
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