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Ich beschütze dich

Ich beschütze dich

Titel: Ich beschütze dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penny Hancock
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dir keine Sorgen.«
    »Es ist dringend«, sagt sie. »Das kann nicht warten.«
    Ihr fallen die Augen zu. Wenig später ist sie eingeschlafen. Ich stehe vor ihr und sehe auf sie hinunter. Meine ganze Welt bricht zusammen. Wenn sie aufwacht, wird sie sofort die Polizei anrufen wollen wegen dieses verdammten Buttons und der Stimme, die sie angeblich am Telefon gehört hat. Helen hat mich in diese Situation gedrängt, mir bleibt keine Wahl. Ich nehme das Federkissen vom Sofa neben mir. Ich lege es sanft auf ihr Gesicht. Dann drücke ich zu. Sie fängt an, sich zu winden. Wenn sie anruft, werden sie sich noch mal das Musikzimmer ansehen wollen, und ich kann Jez nicht wieder wegbringen. Er ist zu krank.
    Ich drücke ihr das Kissen fester auf Nase und Mund. Sie würden ihn oben finden.
    Mein Blick fällt auf die Nähutensilien von meiner Mutter mit dem Stopfpilz obenauf. Mit einer Hand greife ich danach, mit der anderen halte ich das Kissen fest.
    Sie würden ihn mir wegnehmen.
    Mit dem Griff des Stopfpilzes presse ich das Kissen in Helens weit aufgerissenen Mund, mit der anderen Hand drücke ich ihr das Kissen auf die Nase.
    Sie würden uns trennen, und dafür bin ich noch nicht bereit. Ich könnte es nicht ertragen.
    Wenn man am Fluss lebt, weiß man, wie man auf die andere Seite gelangen kann. In diesem Abschnitt gibt es keine Brücke, also bleiben als Möglichkeiten auf oder unter dem Wasser. Man kann nirgendwo umkehren. Man muss seinem Ziel folgen. Nicht einmal der Blackwall-Tunnel lässt einen wenden, sobald man in seinem verpesteten Inneren ist. Beim Durchfahren will ich manchmal nur noch zurück, weil mich die Angst packt, unter dem riesigen, dunklen Fluss zu sein. Aber die Autos vor und hinter mir treiben mich vorwärts. Man kann nicht anhalten. Man muss weiter durch den Schmutz fahren, bis man zwischen den hoch aufragenden Bauten am anderen Ufer herauskommt. Daran denke ich, als ich mich auf das Kissen stütze, und ich weiß, dass ich nicht zurückkann. Ich kann nicht umkehren. Ich muss mein Ziel weiterverfolgen.

K APITEL D REIUNDDREISSIG
    Dienstagmorgen
    Sonia
    Woher weiß man, wann es vorbei ist? Helens Hände öffnen und schließen sich und kratzen über meine Ärmel. Ihre Beine zucken. Mir wäre es lieber gewesen, es wäre nicht im Wohnzimmer passiert. Aber ich hatte keine andere Wahl. Ich packe das Kissen fester. Drehe den Stopfpilz tiefer. Das Feuer, das ich heute Nachmittag im Kamin angezündet habe, ist längst heruntergebrannt. Ein Windstoß fährt durch den Kamin, verteilt Asche auf dem Teppich und hebt einen Vorhang an. Die Kaminuhr surrt und schlägt halb eins. Helen bekommt Krämpfe. Sie würgt. Das will ich nicht hören. Ich will nicht hinsehen. Ich wende den Kopf ab und stemme mich mit dem ganzen Gewicht auf sie. Endlich sacken ihre Füße in den hübschen Wildlederstiefeln zur Seite. Ich hebe das Kissen hoch. Es ist getränkt von Erbrochenem. Ich taste nach einem Puls. Ich darf nicht nachdenken. Die Kälte im Zimmer. Der Geruch der Körperflüssigkeiten. Die Stimmen.
    Ich lasse sie kurz allein und gehe zum Fenster auf der Flussseite. Vorsichtig hebe ich den Vorhang hoch und spähe in die Dunkelheit. Es ist schlecht zu erkennen, wie hoch der Fluss steht. Ich brauche die Flut. Es wäre aussichtslos, sie auf den Armen die rutschigen Stufen hinuntertragen zu wollen.
    Ich husche über den Hof und durch die Tür auf den Fußweg. Wie ich vermutet habe. Das Wasser bedeckt das Ufer und schwappt gute zweieinhalb Meter unter mir gegen die Mauer. Ich muss mindestens zwei Stunden warten, vielleicht auch drei. Vielleicht hätte ich daran denken sollen, bevor ich das Kissen benutzt habe. Hätte warten sollen.
    Der Geruch von Helens Erbrochenem hat alles durchdrungen. Ich habe das Gefühl, er hätte sich in meinen Haaren und meiner Kleidung festgesetzt. Ich hole ein Spültuch und Desinfektionsspray aus der Küche, wische die Lache auf ihrer Brust weg und gehe mit dem Kissen zurück, um es zu waschen. Andererseits sollte ich es vielleicht lieber verschwinden lassen. Aber wo? Ruhig. Atme. Mein Verstand rast. Ich muss an zu viel denken. Zum Beispiel an die Sachen, auf die Helen mich aufmerksam gemacht hat. Die Sachen, die den Forensikern auffallen könnten. Ich müsste viel mehr darauf achten, welche Beweise ich zurücklasse.
    Am Ende stecke ich das Kissen in die Waschmaschine und stelle sie auf Kochwäsche. Dann hole ich Mutters Rollstuhl unter der Treppe hervor. Nach Jez ist Helen ein richtiges Leichtgewicht. Ich

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