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Ich bin an deiner Seite

Ich bin an deiner Seite

Titel: Ich bin an deiner Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Shors
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platsch, platsch, wenn sie ins Meer fallen.«
    »Wie ist es mit dir, Mattie?«, wollte Georgia wissen. »Was siehst du da oben?«
    Mattie sah ihre Mutter in den Sternen, sah die Schönheit und die Anmut und die Stärke von jemandem, der ihr das Gefühl gab, frei zu sein. Aber sie war nicht sicher, ob sie das sagen sollte. Sie wollte ihren Vater nicht traurig machen. Auf der anderen Seite wollte sie Georgia auch nicht anlügen. »Ich … ich sehe meine Mutter«, erwiderte sie schließlich, und Tränen sammelten sich in ihren Augen. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie den ganzen Tag nicht an ihre Mutter gedacht hatte. Und jetzt, wo sie in den Himmel sah, hatte sie Angst, dass sie die Stimme ihrer Mutter vergessen würde, ihr Gesicht. Panik stieg in ihr auf, und sie griff nach der Hand ihres Vaters. Er nahm ihre Finger in seine, drückte sie, und sie wusste, dass seine Gedanken ihren gefolgt waren.
    »Deine Mutter war wunderschön«, sagte er, nicht sicher, was er vor Georgia und Holly sagen sollte. »Und du hast recht. Sie war genau wie dieser Himmel. Sie war nicht ein einzelner Stern, sondern ein ganzer Haufen davon.«
    Mattie blinzelte, weil die Tränen brannten. »Sie war alle Sterne.«
    »Weißt du, was noch schön ist, Schatz?«
    »Was?«
    »Dass wir vier hier direkt am Südchinesischen Meer liegen und uns diesen wunderschönen Himmel ansehen. Wir sind vier Freude. Und ich schätze, das ist auch etwas Wunderschönes.«
    Mattie nickte und drückte seine Finger. »Wir sind … wie eine Familie.«
    Er versteifte sich und drehte sich zu ihr um. »Eine Familie aus Freunden.«
    Georgia, die auf Matties anderer Seite lag, wünschte, sie könnte Ians Gesicht sehen, wünschte, dass er mit Hollys Hilfe ein Lagerfeuer machen würde und dass die Mädchen Stöcke hineinwerfen konnten, während sie selbst ihren Kopf auf seine Brust legte. Doch sie würde ihn niemals auffordern, sie zu berühren, auch wenn sie sich, je mehr Zeit sie mit ihm verbrachte, immer stärker danach sehnte, ihm nahe zu sein. »Ich mag die Umstände nicht, die uns hier zusammengeführt haben«, sagte sie, und ihr Herz schlug schneller. »Aber ich bin froh, dass wir zusammen sind. Es gibt keinen Ort auf der Welt, an dem ich in diesem Augenblick lieber wäre, keine Menschen, mit denen ich lieber zusammen wäre.«
    »Mir geht es auch so«, sagte Holly und setzte sich auf die Knie, rutschte näher zu Mattie hinüber.
    Während Holly nach Mattie griff, fragte Georgia sich, ob sie zu viel gesagt hatte. Kann er spüren, was ich will? Ist es schlimm von mir, an ihn zu denken, wenn Mattie den Tränen so nah ist?
    Als Ian nichts erwiderte, fragte sie sich, was ihm durch den Kopf ging. Sie dachte darüber nach, was er gesagt hatte, und über die Stille, die weiter anhielt. Unfähig, ein solches Schweigen zu ertragen, setzte sie sich auf. »Möchtest du ein Feuer machen, Mattie?«, fragte sie. »So eins wie das von den Leuten da unten? Machen wir ein Feuer und erzählen uns Geschichten.«
    Mattie stand auf. Ian bewegte sich langsamer, aber sein Blick fand Georgias im Dunkeln, und sie glaubte, dass er an ihr hängen blieb. Warum er sie so lange ansah, wusste sie nicht, aber sie wandte sich nicht ab, und für einen Moment fühlte sie sich bloßgestellt, als würde sie nackt in einer Badewanne vor ihm liegen. Etwas schien sie kurz zu verbinden, sie zusammenzubringen. Dann wandte er sich den Mädchen zu, und der Moment war vorbei.
***
    Am folgenden Tag saßen die vier Reisenden hinten im Transporter und sahen die vietnamesischen Berge vorbeiziehen. Während sie sich Dalat näherten, wurden die Berge höher – voller riesiger Nadelbäume, Flüsse, Wasserfälle und Wildtiere. Die Luft roch nach Pinien und Harz. Die Straße war leer, der Wald unberührt. Georgia, die schon in den Bergen rund um Seattle gewandert war, fühlte sich wie im Pazifischen Nordwesten. Sie hatte diese Seite von Vietnam noch nie gesehen und war froh über ihren Entschluss, nach Dalat zu reisen, das lange ein Sommerreiseziel für reiche Vietnamesen gewesen war.
    Sie hielten auf dem Weg zweimal an, und jedes Mal hatte Khan bei jemandem, dem er vertraute, Krücken zurückgelassen. Alle waren traurig bei dem Gedanken, dass Kinder diese Krücken brauchten. Sie hatten zwei solcher Kinder getroffen – zwei kleine Jungen, die von derselben Bombe verletzt worden waren. Auf gewisse Art hatten die Jungen Glück gehabt – die Bombe hatte jedem »nur« einen Fuß abgerissen. Mit Krücken würden sie

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