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Ich bin an deiner Seite

Ich bin an deiner Seite

Titel: Ich bin an deiner Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Shors
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Er musste ihre Angst gespürt haben, denn ohne ein Wort hob er sie erneut hoch und setzte sie auf seinen Schoß. Er küsste ihren Hinterkopf, dann trug er sie und ging nach hinten, unter das Dach.
    Er legte die Arme um sie, während das Langboot vorwärts fuhr, in die höher werdenden Wellen, in die Schatten und den Zweifel und den kalten Regen.

Indien
    Eine Träne auf der Wange der Zeit
    »Als du geboren wurdest,
hast du geweint, und die Welt freute sich.
Lebe dein Leben so, dass, wenn du stirbst,
die Welt weint und du dich freust.«
Indisches Sprichwort
    »Ich habe noch eine Überraschung für dich«, meinte Ian und tätschelte Matties Knie.
    »Was?«
    »Du wirst eine Prinzessin sein, Ru. Stell dir das vor.«
    »Ich weiß nicht, was du meinst.«
    »Schau mal aus dem Fenster. Du wirst schon sehen.«
    Mattie gehorchte – und starrte aus ihrem altersschwachen Taxi auf die Landschaft von Südindien. Sie hatte nicht erwartet, dass das Land hier so weitläufig sein würde, zumindest nicht nach dem Chaos, das in der Stadt Bangalore geherrscht hatte.
    Ihr Reiseplan sah vor, dass sie nur zwei Wochen in Indien bleiben würden, und sie hatten beschlossen, die großen Städte zu besuchen und mit dem Zug und dem Flugzeug zu reisen. Bangalore war kein typisches Touristenziel, aber Ians frühere Firma beschäftigte vier Mitarbeiter, die in der Gegend lebten. Weil er sich verpflichtet fühlte, diesen Indern seine Dankbarkeit für ihre harte Arbeit auszudrücken, hatte er sie zwei Tage zuvor besucht.
    Mattie beobachtete von dem zerschlissenen Ledersitz des alten Taxis aus die sanften Hügel vor der Stadt Mysore, eine dreistündige Zugfahrt von Bangalore entfernt. Auf den Hügeln gab es keine hohen Bäume, und sie waren zwar grün, aber nicht üppig bewachsen. Man hatte ihnen von einer Dürre erzählt, die die Gegend heimsuchte, deshalb war Mattie nicht überrascht. Fast die gesamte Landschaft, an der sie vorbeikamen, war so geformt worden, dass man sie als Reis- und Weizenfelder nutzen konnte. Ochsengespanne zogen Pflüge über den Boden oder Holzkarren auf den Straßen. Die Wagen schienen vor vollgestopften Jutesäcken oder Heuballen oder ungepflegten Arbeitern überzuquellen und teilten sich das Pflaster mit Bussen, Lastwagen, Rikschas, Autos und Menschen.
    Ihr Taxifahrer war klein und ungeduldig. Immer wenn ihn etwas dazu zwang, langsamer zu fahren, hupte er den Übeltäter an und murmelte etwas vor sich hin. Zu Matties und Ians Unglück klemmte die Hupe bei vielleicht jedem vierten Mal, bei dem er sie benutzte, und so blieb sie stecken und tönte weiter, während er fuhr und mit der Hand daraufschlug. Der Mann schlug mit der rechten Faust auf die Hupe, fluchte und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Manchmal war die Hupe wieder still, aber meistens machte sie weiter Lärm, bis der Mann den Wagen anhielt, die Motorhaube öffnete und kurzfristig die Kabel herauszog. Trotz der Tatsache, dass dieser Vorgang mehrere Minuten in Anspruch nahm, benutzte der Fahrer bei fast allem, was ihnen begegnete, weiter die Hupe.
    Bald war Mattie in der Lage vorauszusagen, wen er anhupen würde. Drei Hindu-Mönche auf Fahrrädern überholte er schweigend. Ein Bauer und sein Wasserbüffel bekamen ein wütendes Hupkonzert zu hören, genauso wie ein früherer Krankenwagen, eine Gruppe von Schulkindern, eine Frau in einem Sari, die die Äpfel aus seiner umgekippten Kiste wieder einsammelte, und ein dreirädriges Motorrad, das aussah, als sei es aus einem Dutzend anderer Fahrzeuge zusammengesetzt worden.
    Mattie lächelte, während der Mann weiterhupte, auf das Lenkrad schlug und anhielt, um den lauten Ton wieder abzustellen. Sicher verschwendete er mit all diesem Anhalten und Weiterfahren mehr Zeit, als wenn er einfach darauf warten würde, dass die Leute weiterfuhren. Und sicher wäre er glücklicher gewesen, wenn er nicht alle zwei Minuten auf die Hupe hätte schlagen müssen. Ihr wurde jedoch klar, dass die meisten Fahrer genauso viel hupten wie er. Sie alle schien eine Hassliebe mit ihrer Hupe zu verbinden.
    Das Taxi fuhr weiter und kletterte die sanften Hügel vor Mysore hinauf. Ihr Vater bog von der Hauptverkehrsstraße ab und folgte einer gut ausgebauten Straße, auf der fast gar kein Verkehr war. Bald ersetzten angelegte Gärten die endlosen Bauernhöfe. Die Gärten waren hübsch und geometrisch, und Reihen von Zypressen standen um rechteckige Teiche.
    Mattie sah nach vorn und entdeckte ein wunderschönes weißes Haus. Das

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