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Ich bin an deiner Seite

Ich bin an deiner Seite

Titel: Ich bin an deiner Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Shors
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erreichst. Wenn dir jemand so etwas sagt, dann hör nicht darauf. Denk an das japanische Mädchen, das die Leute für schwach hielten. Denk daran, dass sie auf den Everest gestiegen ist.«
    »Papa?«
    »Ja, Schatz?«
    »Warum nennen die Leute ihn einen Unberührbaren?«
    »Weil sie sich ihm dann überlegen fühlen. Weil sie schwach sind.«
    »Wo, glaubst du, sind seine Eltern?«
    »Ich weiß es nicht, Ru.«
    Der Junge tauchte wieder auf, hob die Faust über das Wasser und schien sich anzusehen, was er da gerade gefunden hatte. Während er weiter die Hand in die Luft hielt, kämpfte er gegen die Strömung und schwamm zum Ufer. Mattie blickte zu ihrer Linken und sah ein Paar alte Sandalen und ein dreckiges Hemd auf den Stufen ganz in der Nähe liegen. Der Junge schien auf diese Sachen zuzuschwimmen, und sein Kopf verschwand manchmal unter der Wasseroberfläche. Bald konnte er stehen und watete an Land. Er trug eine dunkle Shorts, aber nichts sonst. Seine Rippen ähnelten gebogenen Stöcken. Seine Knie und Ellbogen wirkten übergroß, und die Haut spannte sich darüber. Die Haare des Jungen standen ihm in verschiedenen Längen vom Kopf ab, als hätte er eine alte Schere gefunden und sie sich selbst geschnitten.
    Mattie beobachtete, wie er aus dem flachen Wasser kam. Er beachtete sie nicht und setzte sich auf die Stufe neben seine Sachen. Er öffnete die Faust und legte einen blauen Triceratops aus Plastik neben sich, hob die Finger in Richtung Sonne, um das zu betrachten, was er gefunden hatte, und rieb den Gegenstand dann an seinem Hemd.
    Ian war nicht sicher, ob Mattie das Schweigen brechen würde, deshalb winkte er dem Jungen. »Hast du etwas Gutes gefunden?«
    Der Junge sah Ian an, dann sah er über seine Schulter, um zu überprüfen, ob jemand hinter ihm war. Als er merkte, dass er allein war, steckte er den kleinen Gegenstand ein und hob seinen Spielzeug-Dinosaurier auf.
    »Wir haben dich beobachtet«, fuhr Ian fort. »Du bist ein toller Schwimmer.«
    Der Junge starrte auf seine Füße und schüttelte den Kopf.
    »Wie heißt du?«, fragte Mattie. »Ich bin Mattie. Ich bin zehneinhalb Jahre alt. Und das ist mein Papa. Sein Name ist Ian.«
    Der Junge betrachtete Ian und Mattie. Er streichelte seinen Dinosaurier. »Rupi«, sagte er leise. »Ich Rupi.«
    »Ist das dein Freund?«, wollte Mattie wissen und deutete auf den blauen Triceratops.
    Rupi bedeckte das Spielzeug mit den Händen, nickte jedoch. »Er Prem.«
    Mattie lächelte. »Wie alt bist du?«
    Mit einem Schulterzucken starrte Rupi auf seine Sandalen. »Leb wohl.«
    »Warte«, rief Mattie und stand auf. »Möchtest du mit uns essen gehen? Wir wollten gerade etwas essen.«
    Rupi sah sich erneut um, und seine dünnen Zehen bewegten sich in seinen Sandalen hin und her.
    Ian spürte die Angst des Jungen. »Ich verspreche dir, dass wir nichts von dir wollen. Gar nichts. Mattie würde nur gerne einen neuen Kumpel finden. Einen neuen Freund, meine ich.«
    Rupis Augen wurden schmal, und er biss sich auf die Unterlippe. »Ich nicht haben Geld.«
    »Das wissen wir«, antwortete Ian. »Wir wollen dein Geld nicht. Und wir laden dich zum Essen ein.«
    »Du kannst essen, was immer du willst«, fügte Mattie hinzu.
    Rupi war verwirrt. Leute hatten ihn vorher schon so oft bestohlen. Er war verprügelt und nackt in den Fluss geworfen worden. Er hatte fast vor jedem Angst – vor den Schlägertypen, die ebenfalls nach Goldzähnen suchten und versuchten, ihm das wegzunehmen, was er fand, vor den Banden, die die Obdachlosen misshandelten. Nur sein Dinosaurier Prem war ihm immer treu gewesen, hatte ihm niemals wehgetan.
    »Bitte, komm mit uns«, bat Mattie nickend. »Wir möchten nur etwas mit dir essen. In einem hübschen Restaurant, wo du dich richtig satt essen kannst.«
    Rupi war nicht sicher, was sie meinte. Er war noch nie in einem Restaurant gewesen. Aber er sah in ihre Augen, und sie wirkten nicht wie die Augen von jemandem, der ihm wehtun würde. Sie erinnerten ihn an Prems Augen.
    »Du siehst hungrig aus«, fuhr Mattie fort. »Möchtest du denn nichts essen?«
    Rupi war schon seit zwei Tagen hungrig – aber er hatte auch schon länger davor nichts mehr gegessen. Er sehnte sich danach, diesem Mädchen zu vertrauen, das ihn anlächelte, das sich nicht abwandte.
    Mattie nickte. »Möchtest du mein indischer Freund sein? Bitte?«
    Noch nie hatte irgendjemand mit Rupi befreundet sein wollen. Er senkte den Kopf, und sein Herz schlug schneller.
    Ian lächelte und ging die

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