Ich bin dann mal alt
Stimmen gewann und in der Kutsche neben der Oma sitzen durfte.
Anton knurrte noch ein wenig herum und spülte seine Niederlage mit einem dreistöckigen Kräuterlikör hinunter. Die gute Stimmung aber war verflogen. Inzwischen hoffen alle, dass Anton nicht im Lotto gewinnt und dann tatsächlich die zwei Pferde und die Kutsche kauft – dann fängt nämlich das Theater wieder von vorne an.
Familiäre Beziehungen tun gut, auch wenn’s manchmal kracht
Wir haben in schlechten Zeiten jeden Bissen Brot geteilt. Wenn mein Mann beim Schneeschaufeln war und dafür eine Jause bekam, hat er sie mit nach Hause gebracht, und wir haben sie gemeinsam gegessen. Das Leben muss man teilen, sonst geht man unter. Wir waren glücklich, weil wir gemeinsam an einem Strang gezogen haben und niemandem Unrecht tun wollten. Das Unrecht ist ein Luder, weil es nicht nur anderen schadet, sondern immer auch dem, der es tut. Das hat ja etwas mit Ehrlichkeit zu tun – damit lebt und schläft man am besten. Wir haben voreinander nichts versteckt. Und wir haben auch nicht mehr verbraucht als das, was wir gehabt haben.
Lindenwirtin Josefine Wagner
Familien waren zu allen Zeiten die intimste und wirkungsvollste Einrichtung, um Selbstbewusstsein und Verantwortungsgefühl, Disziplin und Kreativität, Beziehungsfähigkeit, Zuverlässigkeit, aber auch Nächstenliebe, Ehrfurcht vor anderen und vor der Schöpfung zu erlernen. Dieses traditionelle Familienmodell, so behaupten jedenfalls besonders moderne Zeitgenossen, habe sich überlebt. Kinderlose Ehen, alleinerziehende Mütter, Adoptionen durch gleichgeschlechtliche Paare – diese Beziehungen, die durchaus ihre Berechtigung haben, genießen heute oft einen höheren Stellenwert als die klassische Familie. Zusammenhalt wird nicht nur in den Städten schwieriger, sondern auch auf dem Land. Familien lösen sich mehr und mehr auf, was auch daran liegt, dass die Menschen immer mobiler werden und der Beruf sie in alle Himmelsrichtungen verstreut. Berufsnomaden sind einfach nicht mehr in der Lage, der pflegebedürftigen Mutter oder der kranken Schwester zu helfen, wenn sie 500 Kilometer
entfernt wohnen. Dann müssen Pflegedienste, Altenheime und Kliniken vieles ersetzen, was früher innerhalb der Familien mit menschlicher Wärme und Nähe gelöst werden konnte.
Allerdings wäre es falsch, die »heile Familie« zu ideologisieren. Vielleicht gab es sie nie! Aber man sollte das traditionelle Modell auch nicht in die antiquierte Ecke stellen. Zu allen Zeiten gab es in den Familien Ärger, Zwist und Krach, doch es wäre der falsche Weg, deswegen einfach davonzulaufen. Menschen sind unvollkommen, auch in der Familie. Deshalb ist es für die eigene Entwicklung wichtig, familiäre Konflikte auszuhalten und mitzuhelfen, sie zu lösen. Eine Familie ist ein ideales Lernfeld für Beziehungen: Das Kind lernt, wie es gut mit dem gebrechlichen Großvater umgehen kann, es erlebt, wie rücksichtsvoll alle seine behinderte Schwester behandeln oder wie die Familie sich einschränkt, um eine finanzielle Notlage zu überstehen. In solchen Auseinandersetzungen lernen alle Familienmitglieder für ihr eigenes Leben – in Situationen, die mal ernst und mal lustig sind, mal nervig und ein anderes Mal voller Harmonie. Mit einem Augenzwinkern sagt eine alte Volksweisheit: »Der Begriff Familienbande hat einen Beigeschmack von Wahrheit.«
Natürlich gibt es außerhalb des traditionellen Familienverbundes auch andere Formen sinnvollen Zusammenlebens: Großfamilien, verwandtschaftliche Clans, Stammesgemeinschaften in unwirtlichen Gegenden der Erde, aber auch moderne WGs für alle Altersgruppen in Städten und auf dem Land. Immer ist die Frage entscheidend, was die Gemeinschaft zusammenhält.
Im alten Wien gehörte es zum sozialdemokratischen Lebensmodell, in jedem Wohnblock, der von der Gemeinde gebaut wurde, eine »sozialistische Zelle« einzurichten. Das war ein Gemeinschaftsraum, in dem nicht nur die Politiker ihre Reden hielten, sondern auch die Bewohner miteinander ins Gespräch kamen, sodass echte Nachbarschaftshilfe entstehen konnte. Zur
damaligen Blütezeit der Wiener Sozialdemokraten hatten vermutlich diese »sozialen Zellen« wesentlich beigetragen. Inzwischen sind sie zu bedeutungslosen Leerräumen geworden – Menschen ohne Beziehungen brauchen keine Treffpunkte mehr.
Für Singles ändern sich die Werte
Ein Problem, das vor allem auch ältere Menschen betrifft, ist die zunehmende Vereinzelung, also das Leben als Single.
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