Ich bin dein Mörder: Thriller (Sam Burke und Klara Swell) (German Edition)
Methode, die er wahrscheinlich auch heute noch verwendet, zumindest deutet er das mit seiner Sprache an, denn er scheint dafür sogar etwas wie Stolz zu empfinden. Der siebte Brief erscheint mir den ersten Mord zu beschreiben, der seinem Zielschema entspricht. Er schien zum ersten Mal glücklich zu sein, außer beim Auslöser, beim Tod von Betty. Daher glaube ich, dass er von diesem Moment in der Vergangenheit an, ich schätze, es dürfte 1999 oder 2000 gewesen sein, seine Methoden zwar weiter perfektioniert, aber nicht mehr grundlegend verändert hat. Er verwendet heute lediglich ein Gift, statt ihnen die Kehle zuzudrücken, aber der Effekt von Tetrodotoxin ist derselbe: Seine Opfer ersticken in seinen Armen. Der letzte Atemzug. Asphyxie. Toms Fetisch. Davon ausgehend, habe ich unser Profil angepasst und auch riskiert, einen Blick in die Glaskugel zu werfen, um etwas über den Tom von heute zu erfahren. Was allerdings ziemlich mutig ist zum jetzigen Zeitpunkt …«
»Schieß los, Sam. Wir sind hier nicht an der Uni, und früher hast du dich auch nicht so geziert, wenn du die Ahnung hattest, dass du recht hast.«
Sam hob die Hände: »Wir suchen einen weißen Mann, Anfang bis Mitte vierzig. Er hat sein Leben in zwei gleiche Teile geteilt, einen dunklen mit den Morden und einen hellen mit einer bürgerlichen Existenz.«
»Sie meinen wie Dr. Jekyll and Mr Hyde?«
»Exakt, Shirin. Sie müssen verstehen, dass es für eine Psyche – auch eine kranke – eine enorme Belastung ist, Mordphantasien in die Tat umzusetzen und dabei den bürgerlichen Schein zu wahren. Tom hingegen scheint sogar echtes Mitgefühl zu empfinden. Dr. Jeckyll bereut, was Mr Hyde tun muss. Was mich zu meinem nächsten Punkt bringt.«
Shirin und Bennett hingen jetzt an seinen Lippen.
»Er ist vordergründig sozialisiert, es würde mich nicht wundern, wenn er in einer Kirche oder einer sozialen Einrichtung ehrenamtlich aktiv wäre. Er ist nicht verheiratet und hat keine Kinder, Tom ist ein klassischer Einzelgänger. Er hat Geld, viel Geld. Ich vermute, dass ihm entweder seine Eltern ein Vermögen hinterlassen haben oder er es mit der gleichen Methode erschlichen hat, mit der er an die Adressen seiner Opfer gelangte: durch gewiefte Trickbetrügereien, möglicherweise Aktien oder Termingeschäfte. Er braucht für sein Geld nicht mehr zu arbeiten, oder er ist zumindest in der Lage, auch über längere Zeit Freiräume zu schaffen. Er hatte fünfzehn Jahre Zeit, sich sein Leben nach seinen Vorstellungen einzurichten. Mittlerweile hat er sein ganzes Leben nach dem Jeckyll-and-Hyde-Prinzip organisiert.«
»Glauben Sie, dass er eine gespaltene Persönlichkeit hat?«, fragte Shirin.
»Nein«, antwortete Sam, »eine gespaltene Persönlichkeit ist sich der anderen Seite nicht bewusst. Es wäre ihr unmöglich, sich diszipliniert und geordnet zu verhalten. Toms Persönlichkeit ist bipolar, aber in einer Person vereint.«
»Und wie soll uns das helfen, ihn zu fassen?«
»Vermutlich wird er seine bürgerliche Existenz unbewusst auf die Spitze treiben, deshalb auch die Vermutung mit dem Ehrenamt. Er ist etwas zu nett, tut etwas zu viel des Guten, ist jedermanns Freund. Und doch nichts davon.«
»Sie meinen«, sagte Shirin, »dass wir jemanden suchen, der zu gut für diese Welt ist?«
»Ja«, sagte Sam.
»Wir suchen den perfekten Nachbarn, den ganz sicher niemals jemand verdächtigen würde«, kommentierte Bennett.
»Die weißeste Weste von allen«, sagte Sam. »Mit der schwärzesten Seele.«
Kapitel 30
Washington, D.C.
Donnerstag, 30. August
Wie ein stummer Schatten huschte die Gestalt durch den Flur des achten Stockwerks. Das Gebäude war einer der nichtssagenden Würfel auf der 18. Straße, die von außen nicht besonders beeindruckend wirkten, aber hinter deren Mauern die echte, große Politik in der Hauptstadt gemacht wurde. Die hohen Fensterfronten, die über die gesamte Fassade um den Klotz liefen, waren der Grund dafür, dass Klara sich für einen ihrer Anzüge entschieden hatte. Wenn es drohte, bei einem Einbruch ungemütlich zu werden, oder wenn sie es vermeiden musste, verräterische Spuren ihrer DNA zu hinterlassen, zwängte sie sich in eine zweite Haut aus dünnem Neopren. Selbst ihre Haare steckten unter einer Kapuze, und das matte Material verschwamm in der Nacht mit den Konturen der Möbel. Heute hatte Klara weder vor, sich erwischen zu lassen, noch konnte sie es sich leisten, Beweismittel zurückzulassen. Niemand
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