Ich bin dein Mörder: Thriller (Sam Burke und Klara Swell) (German Edition)
gekannt hatte.
»Woher soll ich das wissen?«, fragte Willis. Seine Brille rutschte beim Reden von der Nase, sodass er sie immer wieder nach oben schieben musste. »Es gibt keine offensichtlichen Einstichwunden, die normalerweise auch sehr schwer zu verbergen sind.«
Vor allem wenn es sich um neun Opfer handelte, resümierte Sam im Kopf. Es mochte im Bereich des Wahrscheinlichen liegen, dass einige der Notärzte, die zu den Frauen gerufen worden waren, einen kleinen Nadelstich übersahen, der zudem nach Eintreten des Todes noch deutlich auffälliger hervortrat, weil sich das Blut dort sammelte.
»Lassen Sie mich die Frage anders formulieren«, sagte Sam. Er war sich sicher, dass Tom dieses zentrale Element seiner Überlebensstrategie nicht dem Zufall überlassen hätte. »Wie würden Sie es verabreichen, wenn Sie wollten, dass Ihre Kollegen das Gift übersehen?«
Dr. Willis lachte: »Sie fragen nach dem Heiligen Gral?«
Natürlich war es eines der bestgehüteten Geheimnisse unter Gerichtsmedizinern, wie sich das Verabreichen einer tödlichen Substanz vertuschen ließ. Wenn solch eine Information jemals in die Öffentlichkeit gelangte …
»Ja, Dr. Willis. Wir sind die Guten, schon vergessen?«, fragte Bennett und zeigte seine magische Dienstmarke.
»Die heiligen Ritter der Tafelrunde, selbst Hoover hätte seine helle Freude an uns gehabt«, murmelte Sam.
»Die Schleimhäute«, sagte Dr. Willis.
»Hört her, die Schleimhäute«, sagte Sam und wusste, dass er absonderlich klang. Er konnte an nichts anderes mehr denken als an Toms Progression. Und dass sie seit einigen Minuten wussten, dass in diesem Moment zwei Frauen auf Toms Liste standen.
»Die Darmschleimhaut beispielsweise nimmt toxische Substanzen wie Alkohol beinah so effektiv auf wie der Magen.«
»Oder wie Tetrodotoxin?«, fragte Bennett.
»Oder wie Tetrodotoxin«, bestätigte Dr. Willis. »Und für einen Gerichtsmediziner ist es beinah unmöglich, das nachzuweisen. Und bei einer oberflächlichen Leichenschau …«
Sam hatte genug gehört und stürmte aus dem bedrückenden Gebäude, raus auf die Straße, unter die bedrückende Autobahnbrücke. Sam versuchte, zwischen den Fahrbahnen ein Stück Himmel zu entdecken. Zehn Minuten später fing es an zu nieseln, und Bennett lief über die Straße auf ihn zu. Er schien keine Eile zu haben.
Sam zündete sich eine Zigarette an, von der er sich maximal eine am Tag erlaubte.
»Manchmal spottet dein Benehmen wirklich jeder Beschreibung«, sagte Bennett.
Sam trat die halb gerauchte Zigarette aus: »Hast du eine Ahnung, was hier beinah passiert wäre?«, fragte Sam. »Hast du überhaupt eine Ahnung von irgendwas?«
Bennett hob die Hände über den Kopf: »Manchmal bist du einfach nur ein Arschloch, Chef«, sagte er und lief in Richtung ihres Suburban.
Sam trottete hinter ihm her: »Da hast du ausnahmsweise einmal vollkommen recht.«
Als sie im Auto saßen, versuchte Sam sich an einer Erklärung, die Bennett verdient hatte: »Im Grunde können wir uns bei Marin bedanken«, gab Sam zu. »Wenn wir unsere Botschaft, die ich gestern noch für die einzig richtige hielt, wirklich abgeschickt hätten …«
»Was dann?«, fragte Bennett.
»Der Brief von gestern«, sagte Sam mit trockenem Mund. »Und die Progression. Er ist nicht darauf aus, mit uns zu reden, Bennett. Er will spielen. Wir hätten ihn verhöhnt, wenn wir ihm diese Botschaft geschickt hätten. Wir hätten nichts weiter erreicht, als dass sich seine Progression weiter beschleunigt. Wenn wir ihn verhöhnen, mordet er schneller. Die einzige Botschaft, die wir im Moment senden sollten, ist die, dass wir mitspielen.«
»Wir sind gerade so noch an einer Katastrophe vorbeigeschlittert.« Sam hielt dabei Daumen und Zeigefinger so knapp übereinander, dass gerade ein Centstück dazwischengepasst hätte.
Und ich hätte sie zu verantworten gehabt, fügte er in Gedanken hinzu.
Kapitel 38
Brooklyn, New York
Montag, 24. September
Klara Swell saß an ihrem Computer im Stiftungsbüro, und ihre Finger schwitzten auf der alten, vergilbten Tastatur. Pia schaute ihr über die Schulter. Als zweites Augenpaar und moralische Stütze. Sie hatten alles genau so gemacht, wie Shirin es in ihrer E-Mail an Sam beschrieben hatte. Sie hatten bei einem bekannten Onlinemagazin, das auch von Hackern und solchen, die es werden wollten, gelesen wurde, eine Anzeige gekauft. Eine Skyscraper genannte Werbefläche, die fast den gesamten rechten Rand des
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