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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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gut das möglich war.
    Albrecht schlug die Autotür zu, stürmte an ihnen vorbei und überließ es mir, mit ein paar gemurmelten Worten den Dienstausweis vorzuzeigen.
    Es war Jahre her, dass ich zuletzt hier gewesen war. Die Buchsbaumhecke war niedrig, die helle Fassade frei einsehbar. Die Garage stand offen; ich sah das Heck des BMW , den ich vom Parkplatz des Reviers gut kannte. Keine Geheimnisse. Auf dem sorgfältig gestutzten Rasen ein Schaukelgestell, auf dem irgendwann mal das Mädchen gesessen hatte, das ich am Girls’ Day kennengelernt hatte.
    Zwei Schritte hinter Jörg Albrecht kam ich die Treppe hoch, als die Haustür eben geöffnet wurde.
    Sabine Hartung trug einen Hosenanzug. Wahrscheinlich hatte sie weggehen wollen. Vielleicht war sie sogar unterwegs zum Revier gewesen, nachdem ihr Mann am Abend nicht heimgekommen war.
    Irgendwann vor den Fernsehbildern und vor hundert Jahren. Ihr Gesicht hatte dieselbe Farbe wie der Kalkstein der Eingangstreppe.
    «Sabine, ich …» Albrechts Stimme war kaum hörbar. Er hob die Hand, nur ein winziges Stück, der Ansatz zu einer hilflosen Geste.
    Ihre Finger trafen ihn auf der rechten Wange, mit allem Schock, aller Verzweiflung, allem Hass, der an diesem Morgen frei geworden war, als das Leben dieser Frau in sich zusammengebrochen war.
    Der Schlag war heftig, doch Albrecht rührte sich nicht. Er blieb reglos stehen, auch als die Tür ins Schloss fiel.
    Drei Sekunden später drehte er sich um und stieg die Treppe hinab, als wäre nichts geschehen.
    Ein Blutfaden rann über seine Wange, wo Sabine Hartungs Ehering ihn getroffen hatte.
    ***

[zur Inhaltsübersicht]
zwei
    S ie sind ein Goldstück, Irmtraud», murmelte Jörg Albrecht müde.
    Die Sekretärin trat zwei Schritte zurück, musterte ihn kritisch und tupfte noch einmal mit dem lippenstiftartigen Gegenstand über seinen Hemdkragen. Ich staunte. Die Blutflecken, die Sabine Hartungs Attacke dort hinterlassen hatte, waren verschwunden.
    «Danke», brummte Albrecht.
    Irmtraud Wegner neigte den Kopf, zögerte dann.
    «Seit dem Fernsehbericht kriegen wir einen Anruf nach dem anderen rein. Sie wissen schon: unsere üblichen Augenzeugen.»
    «Hmpf.» Ein unartikulierter Laut. Albrecht kramte in seinen Schreibtischschubladen, vermutlich auf der Suche nach Taschentüchern.
    «Ich notiere die Nummern, dann können wir später zurückrufen», schlug Irmtraud vor. «Oh, und Ihre Schwester …»
    «Die Nummer hab ich!», knurrte der Hauptkommissar, tauchte mit einer Packung Kleenex wieder auf. «Besprechungszimmer», sagte er knapp. «In fünfzehn Minuten.»
    Wir gingen wortlos. Wenn der Chef in dieser Stimmung war, kämpfte man gegen den Impuls, sich unter wiederholten Verneigungen rückwärts aus seinem Büro zu entfernen.
    «Sie waren bei den Hartungs?», fragte Irmtraud leise, als wir auf dem Flur standen. Die kugelrunde Sekretärin sah selbst müde aus. Ich fragte mich, ob jemand sie aus dem Bett geholt hatte, wie ich das bei Albrecht gemacht hatte. Wenn ich zur Tagesschicht auf dem Revier eintraf, saß sie regelmäßig schon auf ihrem Platz am Ende des langen Korridors – dem einsamen, windstillen Auge des Sturms, wenn sich die Dienststelle während eines komplizierten Falls in ein Chaos verwandelte. Irmtraud Wegner in ihren zeltartigen Kostümen in immer exakt demselben Schnitt, aber unterschiedlichsten geschmacksfernen Mustern.
    Ich schwieg. Das war die deutlichste Antwort. Ich sehnte mich nach einem Kaffee.
    Irmtraud bewies ihre Gabe als Gedankenleserin, schob sich hinter die Empfangstheke und goss mir wortlos einen Becher von ihrem einzigartigen, magenzerfetzenden Gebräu ein. Ich führte den Becher an die Lippen, spürte, wie sich mein Körper auf der Stelle mit ein paar Herzschlägen außer der Reihe bedankte, und nickte ihr lächelnd zu.
    Doch ihr Blick blieb ernst. «Das wird eine ganz üble Sache», sagte sie leise.
    Wieder neigte ich nur schweigend den Kopf. War es das nicht schon? Sie musste Ole Hartung besser gekannt haben als jeder andere von uns. Ich warf einen Blick auf unsere Ahnengalerie, die Gruppenfotos der jeweils aktuellen Mannschaft, die alle fünf Jahre aufgenommen wurden. Die beiden waren schon seit Wolframs Zeiten auf dem Revier.
    Auf dem Revier
gewesen
, korrigierte ich in Gedanken. Was Hartung anbetraf.
    Wir sahen uns an. Ich spürte, dass Irmtraud etwas sagen wollte. Ja, sie hatte Ole Hartung gekannt, und was in den nächsten Tagen auf uns zukam, war wirklich eine perverse Situation. Wir, die

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