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Ich bin der letzte Jude

Ich bin der letzte Jude

Titel: Ich bin der letzte Jude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chil Rajchman
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Koffer
herüberzuschicken, in die wir das Gold tun können. Er verspricht es, aber er
weiß nicht, dass es verboten ist, vom Lager Nr. 1 ins Lager Nr. 2 zu gehen. Am
Nachmittag kommt der Deutsche in Begleitung eines Gefangenen aus Lager Nr. 1,
der die Koffer trägt. Anschließend will er seinen Begleiter dorthin
zurückschicken, aber der wird am Tor vom Lagerchef Matias angehalten, der ihm
Vorhaltungen macht und ihn grob beschimpft: Niemand darf vom Lager Nr. 1
hierher kommen. Matias befiehlt dem Gefangenen, sich umzudrehen, sich
auszuziehen und in das Grab zu steigen, dann erschießt er ihn.
    Im Juni sind nur wenige Transporte angekommen.
    Der neue Scheiterhaufen ist betriebsbereit, er lässt sich schneller
mit Leichen beladen. Auch die Reinigung der Gruben geht schneller voran. Zehn
sind schon geleert. Die elfte und letzte ist eine der vier größten, in ihr
liegen etwa eine Viertelmillion Leichen. Zwei Bagger arbeiten dort. Eine
Sonderkolonne wird gebildet, die »Knochenkolonne«. Ihre Arbeit besteht darin,
auch die kleinsten Knochen in einem Eimer zu sammeln, damit alle Spuren getilgt
werden. Der Chef weist darauf hin, dass jede Unaufmerksamkeit als Sabotage
betrachtet werde. Was das bedeutet, brauche er uns nicht zu erklären.
    Der dritte Bagger greift keine Leichen, sondern er wirft die Erde
auf. Ein paar von den Arbeitern, die dieser Maschine zugeteilt sind, müssen die
noch vorhandenen Knochen oder Menschenteile aus dem Erdreich herauslesen und
zum Ofen bringen. Die Erde wird zweimal umgegraben, um sicher zu sein, dass
alle Spuren verschwinden.
    Bis Ende Juni waren elf Massengräber ausgeräumt, in denen mehrere
Zigtausend Menschen begraben waren. Der Boden wurde eingeebnet, und man
pflanzte Lupinen.
    Ganz offensichtlich müssen die Mörder die Arbeit zu einem bestimmten
Zeitpunkt beendet haben. Im Lager Nr. 1 ist das der 1. Juli. Wir erfahren, dass
ein hoher Gast erwartet wird: Himmler. 42 Vorbereitungen zu seinem Empfang sind im Gang.
Zwei Tage vor dem Termin ist die Arbeit erledigt.
    Es ist der 1. Juli. Wir hätten auch am Nachmittag arbeiten sollen,
aber im letzten Augenblick ist der Gegenbefehl gekommen.
    Wir sind in unserer Baracke eingesperrt. Durch eine kleine
Fensterluke sehen wir, dass rundherum sehr viele Wachen aufgestellt sind. Ein
paar Minuten später trifft Himmler samt seinem Gefolge ein. Er besichtigt die
Gaskammern und geht zu der Stelle, wo die Gräber waren und jetzt alles makellos
sauber ist. Himmler sieht hochzufrieden aus. Er lächelt, und seine
Untergebenen, die ein paar Meter von ihm entfernt stehen, strahlen vor Freude.
    Ein paar Schüsse sind zu hören, das sind die Siegeszeichen.

17
    Ein sehr heißer Tag.
»Firlefanz«. Mikolaj und Iwan.
Der Mörder »Zacke-Zacke«.
    An diesem Tag war es sehr heiß. Einige SS -Männer kamen von vierzehn Tagen Urlaub zurück. Wegen
der schwierigen »Arbeitsbedingungen« bekamen diese Verbrecher alle sechs Wochen
vierundzwanzig Tage Urlaub. Wenn sie auf Urlaub gingen, kleideten sie sich in
Zivil und ließen ihre geheiligten Uniformen im Lager. Und wenn sie von ihrer
»Erholung« zurückkamen, waren sie immer besonders böse. Einmal haben wir eine
Unterhaltung mitbekommen: Ein SS -Mann erzählt einem
anderen, dass die Stadt, aus der er stammt, Tag und Nacht bombardiert wird und
die Luftangriffe viele Opfer gefordert hätten. Wir stellen auch fest, dass sie
schlecht aussehen, wenn sie aus dem Urlaub zurückkommen: Zu Hause ist die
Verpflegung nicht so gut wie in Treblinka. Hier können sie sich alles leisten,
denn an Geld fehlt es nicht: Jedes Opfer bemüht sich doch, etwas nach Treblinka
mitzubringen.
    Das ist ein besonders schwerer Tag. Der Unterscharführer Chanke, den
wir »den Peitscher« nennen, ein Experte auf diesem Gebiet, ist schlecht
gelaunt. Auch sein Kamerad, der Unterscharführer Lefler 43 , braucht sich für seinen Sadismus
nicht zu schämen. Sein Blick ist gefährlich, und jeder fürchtet sich, davon
getroffen zu werden, denn dann ist er verloren. Trotz der Strapazen der Reise
hören sie nicht auf zu schlagen.
    Eine Situation kommt mir wieder in Erinnerung: Zwei Träger hatten
den Befehl missachtet und anstatt einer großen Leiche drei kleine Kinder auf
die Trage geladen. Der Unterscharführer Lefler befahl ihnen, stehen zu bleiben,
er schlug mörderisch auf sie ein und brüllte:
    »Ihr Hunde, warum tragt ihr diesen Firlefanz?« (So nannten sie
kleine Kinder.)
    Die »Firlefanzträger« mussten wieder zurück und eine große

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