Ich bin der letzte Jude
und die Arbeit werde dann einfacher und angenehmer.
Am nächsten Morgen erfährt er, was wir unter uns geredet haben
sollen: Das schöne saubere Leben, das uns bevorsteht, sobald wir alle Spuren
ihrer Verbrechen beseitigt haben, ist der Tod! Der Mörder kommt wieder zu uns
und erklärt, man werde uns kein Haar krümmen. Wir hören uns das an und denken
an unsere Befreiung.
In den ersten Maitagen beschließen wir im Einvernehmen mit
den Häftlingen vom Lager Nr. 1, Treblinka zu sprengen. Nicht alle von uns
wissen davon. Der Beschluss wird geheim gehalten: Nur die Anführer und ein paar
Kameraden, die an ganz bestimmten Stellen arbeiten, wissen Bescheid.
So ist der Aufstand geplant: Jeder geht ganz normal seiner Arbeit
nach und passt auf, dass ihm nicht das Geringste anzumerken ist. Jeder kennt
seinen Auftrag, und um ihn erfüllen zu können, muss er sich in der Nähe des
entsprechenden Ortes aufhalten. Der Plan sieht vor, dass zwei Schüsse aus Lager
Nr. 1 den Beginn des Aufstands ankündigen. Wir sind alle bereit. Ein paar
Kameraden sollen die Gaskammern in Brand stecken, andere müssen die SS -Männer und die Ukrainer töten und deren Waffen an sich
nehmen. Die Kameraden, die in der Nähe der Wachtürme arbeiten, sollen
versuchen, die Ukrainer herunterzulocken, indem sie ihnen Gold zeigen.
Ein jeder ist an seiner Arbeitsstelle.
Wir Dentisten haben die Aufgabe, während der letzten Tage so viel
Gold wie möglich beiseitezuschaffen, das dann mitgenommen wird. Sobald wir frei
sind, wollen wir zum Arbeitslager Treblinka 45 gehen, das zwei Kilometer entfernt liegt, um die
Christen und Juden zu befreien, die dort interniert sind.
Alles ist bestens geplant gewesen, doch leider tritt etwas
Unvorhergesehenes ein: An dem Tag, an dem die Revolte stattfinden sollte, ist
um fünf Uhr nachmittags ein Transport angekommen und mit dem Transport eine
Menge SS -Männer und Ukrainer. Das hat unser
Vorhaben vereitelt, und wir haben es verschieben müssen. Dieses Pech hat uns
sehr mitgenommen.
Im Lager Nr. 1 ist die Angst groß. Die Waffen, die unter großen
Mühen entwendet wurden, mussten ins Waffenlager zurückgebracht werden. Es
gelang den Kameraden, und die Mörder haben zum Glück nichts gemerkt.
Damit beginnen schwierige Tage. Wir können nichts unternehmen, denn
die Wachen sind verstärkt worden.
Im Mai setzt die große Hitze ein, und die Leichen, die wir
ausgraben, verbreiten einen abscheulichen Gestank. Die Mörder können sich den
Gruben nicht nähern, und die SS -Männer, die die
Bagger bedienen, ersticken fast an der schlechten Luft. Der Arbeitsplan muss
geändert werden. Wir beginnen um vier Uhr früh anstatt um sechs. Der Morgenappell
beginnt um halb drei. Wir arbeiten ohne Unterbrechung bis um zwei Uhr
nachmittags. Dann gibt es Mittagessen. Oft müssen wir auch noch am Nachmittag
arbeiten, weil neue Transporte angekommen sind.
Wir werden bei der Arbeit immer mehr gehetzt. Die Massengräber
leeren sich zusehends von Tag zu Tag. Wir lassen im Lager Nr. 1 wissen: Wenn
sie den Aufstand nicht schnell genug einleiten, müssen wir das selbst
versuchen, bevor es zu spät ist. Wir sind uns nicht alle einig. Ein Teil von
uns ist überzeugt, dass wir uns selbst befreien müssen, andere dagegen meinen,
dass das zum Scheitern verurteilt ist.
Wir können nicht länger warten. Jeder Tag kommt uns wie ein Jahr
vor. Wir beschließen, Lager Nr. 1 ein Ultimatum zu stellen, und wenn sie uns
keine klare Antwort mit dem genauen Tag für den Aufstand geben, werden wir
nicht länger warten.
Zunächst heißt es, dass wir uns noch ein paar Tage gedulden sollen.
Dann kommt endlich ein klares Wort vom Lager Nr. 1: Der Aufstand ist
für den 2. August geplant, nachmittags um halb vier. Voller Ungeduld warten wir
auf diesen Tag.
Am Morgen des 2. August ist strahlendes Wetter. Die Sonne
scheint, wir sind guter Dinge. Trotz der Angst sind wir glücklich über das, was
bevorsteht. Ein Lächeln liegt auf unseren Gesichtern. Wir fühlen uns voller
neuer Kräfte und lebendiger denn je. Wir gehen frohen Herzens zur Arbeit und
geben die Anweisung, uns nichts anmerken zu lassen.
Wir bereiten die Benzinkanister vor, angeblich für die Motoren.
Unser Barackenältester, der als Metzger arbeitet, geht zum Lagerchef Karol
Spezinger und bittet um Erlaubnis, die stumpf gewordenen Messer zu wetzen, denn
es soll ein totes Pferd geliefert werden. Spezinger erklärt sich einverstanden.
Kalman, der Metzger, schleift die Messer und die Zangen, mit
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