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Ich bin der letzte Jude

Ich bin der letzte Jude

Titel: Ich bin der letzte Jude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chil Rajchman
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Cz¸estochowa hatte sich abends
schlafen gelegt, und am Morgen war er nicht mehr aufgestanden. Wir alle
wünschten uns ein so glückliches Ende. Wir haben ihn zum Feuer begleitet, und
so ist er verbrannt.
    Seit Tagesanbruch regnet es ununterbrochen, aber wir
müssen trotzdem unsere Arbeit tun. Wir sind alle vollkommen durchnässt. Die
Mörder haben sich untergestellt und brüllen: »Schneller! Tempo!« Ab und zu kommt ein SS -Mann gerannt und verteilt
ein paar Schläge mit der Peitsche. Der Boden ist sandig und bewegt sich unter
den Füßen. Rasch verwandelt er sich in Schlamm. Wir haben immer größere Mühe zu
rennen. Der Lagerchef befiehlt, dass wir ein paar Ladungen Asche auf unseren
Weg streuen. Der Schlamm nimmt das Menschenblut auf. Wir müssen immer wieder
Asche nachschütten, weil der Regen immer stärker wird. Dieser Tag weint mit
uns.
    Da es jetzt drei Bagger gibt, sind die Träger in drei Gruppen aufgeteilt.
Manchmal setzt ein Bagger aus, und es dauert ein paar Minuten, bis er repariert
ist. Dann hören auch wir auf zu arbeiten. Der »Artist« taucht auf und fragt
ganz ruhig, warum wir tatenlos herumstehen, obwohl bei den Rosten Berge von
Asche darauf warten weggekarrt zu werden. Der Vorarbeiter weist ihn darauf hin,
dass der Bagger gleich wieder loslegt. »Der Artist« erwidert, wir hätten genug
Zeit für eine »Ehrenrunde« mit Asche.
    Der April begann mit frischen Transporten aus dem Ausland,
    vor allem aus Bulgarien 40 .
    Am Morgen kommt der Chef und ordnet an, die Gaskammern zu schließen.
Er sagt zu uns: »Wenn ihr ordentlich arbeitet, kriegt ihr heute etwas Gutes zu
essen.« Gleich danach hören wir Schreie: »Hilfe! Schma
Israel! «
    Nach ein paar Minuten verstummen die Schreie in den Gaskammern, und
eine halbe Stunde später – neue vergaste Menschen. Ich schaue mir die Leichen
genau an: Sie sehen ganz anders aus als wir. Es ist, als hätte man sie um ihrer
Jugend und Schönheit willen ausgewählt. Selten habe ich unter uns Juden so
gesunde und schöne Körper gesehen. Nach dem Vergasen sehen sie wie Lebende aus,
die schlafen.
    Sie kamen in speziellen Pullman-Passagierwaggons. Sie brachten sogar
Möbel und sehr viele Lebensmittel mit. Sie glaubten bis zur letzten Minute, sie
würden nach Russland übersiedeln, um dort zu arbeiten. Man sagte ihnen, sie
sollten die wertvollen Sachen in »Deposit« geben. Als sie sahen, dass all ihre
Sachen zusammen auf einen einzigen Haufen geworfen wurden, machten sie darauf
aufmerksam, dass es Verwechslungen geben könnte, wenn sie aus der Dusche
kommen, weil nicht gekennzeichnet war, was wem gehörte. Oh, die Mörder wussten
schon, wer der Besitzer sein wird: das Herrenvolk.
    Durch die Juden vom Lager Nr. 1 erfuhren wir, dass das
Orchester spielte, als der Transport mit den bulgarischen Juden ankam. Die
Leute waren überzeugt, dass man ihnen kein Haar krümmen würde. Als sie aus dem
Zug stiegen, fragten sie, ob dies die Fabrik von Treblinka sei.
    Der SS -Mann Karol Spezinger macht uns Dentisten
darauf aufmerksam, dass wir besonders wachsam sein müssten, denn fast alle
Bulgaren hätten künstliche Zähne. Tatsächlich sind die Operationen sehr
schwierig: Sie haben den Mund voller falscher Zähne. Wir müssen alle Zähne
ziehen. Die Träger weinen, weil die Leichen außerordentlich schwer sind. Die
Mörder sind außer sich: Die Dentisten müssen sich bei fast jeder Leiche
aufhalten. Das Schlagen beginnt. Der Chef erklärt, wenn die Scheiße bis vier Uhr nachmittags nicht aus der Gaskammer geräumt ist, kriegen wir
nichts zu essen. An diesem Tag haben wir zur Strafe kein Mittagessen bekommen.
    Nur wenige Minuten nach vier war von mehreren Tausend schönen jungen
Juden aus Bulgarien nichts mehr übrig.

16
    Ein noch größerer Ofen wird gebaut.
Ein paar Tage ohne Transporte.
Die Nachricht über den Aufstand im Warschauer Getto.
Alle Spuren des Mordens werden verwischt.
Lupinen werden gepflanzt.
Himmler besucht Treblinka.
    In der zweiten Aprilhälfte erscheint der Lagerstab mit
unserem Chef Matias an der Spitze. Wir sehen, dass sie einen Plan dabeihaben
und dass sie einen Teil des Platzes nahe den zehn großen Gaskammern vermessen.
Am nächsten Morgen werden einige Arbeiter ausgesucht, die unter Anleitung eines SS -Mannes zu graben beginnen. Es soll noch ein Ofen
mit weit größerer Kapazität und in unmittelbarer Nähe der Gaskammern gebaut
werden, sodass die Leichen sofort verbrannt werden können. Diese Arbeit dauert
zehn Tage. Man bereitet sich auf den

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