Ich bin der letzte Jude
Leiche
aufladen.
An den sehr heißen Tagen sind die ukrainischen Handlanger
in ihrem Element. Sie schlagen nach allen Seiten um sich. Mikolaj und Iwan, die
für die Motoren zuständig sind, die das Gas in die Kammern treiben, kümmern sich
auch um die Generatoren, an denen die Beleuchtung von Treblinka hängt. Während
der sengenden Hitze ist für sie alles zum Besten bestellt. Iwan ist etwa fünfundzwanzig
Jahre alt und sieht wie ein riesiges, gesundes Pferd aus. Seine Kraft lässt er
gern an den Häftlingen aus. Von Zeit zu Zeit juckt es ihm in den Fingern: Er
hält einen Häftling an, der gerade vorbeikommt, und schneidet ihm mit einem
Messerhieb ein Ohr ab. Das Blut fließt, der Jude schreit, aber er muss sofort
mit der Trage weiterlaufen. Iwan wartet geduldig, bis der Mann ein weiteres Mal
an ihm vorbeiläuft, befiehlt ihm, seine Trage abzustellen und in die Grube zu
steigen, dann erschießt er ihn.
Eines Tages näherte sich Iwan mit einem Schürhaken in der Hand dem
Brunnen, während ich zusammen mit einem anderen Dentisten namens Finkelschtejn
Zähne reinigte. Er befahl Finkelschtejn, sich auf die Erde zu legen, dann
stieß er ihm den Schürhaken ins Gesäß. Er nannte das einen Spaß. Der arme
Mensch schrie nicht einmal laut, stöhnte nur leise. Iwan lachte und brüllte in
einem fort: »Bleib liegen, sonst erschieß ich dich!«
Unter den treuen ukrainischen Dienern gibt es mehrere solcher
Helden. Ich werde niemals den vergessen, den wir »Zacke-Zacke« nannten. Wenn er
schlug, schrie er ständig »zacke, zacke« . Seine
Peitsche war länger als die der anderen.
An diesem Tag hat »Zacke-Zacke« Dienst. Er verfügt über besondere
Privilegien. Er sucht sich den Dienst an der Mauer aus, denn dort ist der
Durchgang enger und das Prügeln einfacher. Er sieht alle vorbeiziehen, und es
ist unmöglich, ihm zu entgehen. »Zacke-Zacke« ist wie ein wildes Tier. Kalter
Schweiß rinnt ihm vom teuflischen Gesicht. Die Arbeiter weinen, und er hört
nicht auf zu schlagen. Wenn er in diesem Zustand ist, versucht Dr. Zimerman,
ihn zu besänftigen, indem er Russisch mit ihm spricht: die einzige Möglichkeit,
ihn ein wenig zu beruhigen.
Finkelschtejn musste danach sofort wieder aufstehen und zur Arbeit
zurückkehren. Er war jung und kräftig. Dr. Zimerman hat ihn, sobald das möglich
war, mitgenommen und die Wunde versorgt. Sie ist verheilt, und Finkelschtejn
hat bis zum Aufstand gelebt.
18
Wir bereiten den Aufstand vor.
Pessach in der Baracke.
Aufstand in Treblinka.
Wie ich schon erwähnt habe, sind die Häftlinge gegen Ende
länger bei derselben Arbeit geblieben, und das war für uns von großem Vorteil.
So haben wir uns untereinander besser kennengelernt und Vertrauen zueinander
gefasst. Wir begannen zu überlegen, wie wir da rauskommen.
Uns ist klar, das wird ein schwieriges Unterfangen, und da wir immer
fürchten müssen, verraten zu werden, haben wir auch Angst, offen zu sprechen.
Wir haben mehrere Pläne gemacht, aber alle sind nur schwer durchführbar. Wir
stehen mit leeren Händen da. Trotzdem fassen wir mehrere Möglichkeiten ins
Auge. Unsere geheimen Versammlungen finden immer in einer Ecke der Baracke
statt. Einer von uns steht Wache, um uns zu warnen, wenn plötzlich ein Mörder
auftaucht.
Im Januar 1943 werden fünfzehn Männer vom Lager Nr. 1 zu
uns gebracht. Es kommt oft vor, dass ein paar Arbeiter, anstatt dass man sie im
Lager Nr. 1 erschießt, der Arbeit bei den Leichen zugewiesen werden, der Unterschied
ist schließlich gering. Der Tod ist sicher und lässt nicht lange auf sich
warten. Unter den fünfzehn Männern sind Adolf, ein ehemaliger Matrose, und
Shelo Bloch, ein jüdischer Offizier der tschechischen Armee. Es sind treue
Kameraden, und nach wenigen Tagen sind wir gute Freunde. Sie berichten, dass im
Lager Nr. 1 ein Aufstand vorbereitet wird. Dort gibt es mehr Möglichkeiten,
weil dort ein Waffenlager ist. Sie wollen einen Nachschlüssel anfertigen, um an
die Waffen zu kommen. Die beiden Kameraden sind tatkräftig, der Sache ergeben
und aufrichtig. Sie machen uns Mut und gehen entschlossen ans Werk. Wir versuchen,
einen Kontakt mit Lager Nr. 1 herzustellen. Das ist sehr schwierig, aber wir machen
uns zu nutze, dass ein paar von uns im Schlauch arbeiten, den sie vom Blut der
Opfer reinigen müssen. Der Schlauch geht bis an die Grenze zu Lager Nr. 1, und
dort kommen unsere Leute mit den Schlaucharbeitern von der anderen Seite in
Kontakt. Trotz der Anwesenheit eines SS -Mannes und
eines
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