Ich bin der letzte Jude
das
Wäldchen umstellen und eindringen. Sie finden die andere Gruppe und erschießen
alle auf der Stelle.
Bei uns ist auch Masaryk, ein Neffe des ehemaligen tschechischen
Präsidenten. Er hat seine jüdische Frau nach Treblinka begleitet. Als er sieht,
dass die Mörder ganz nahe sind, holt er eine Rasierklinge aus der Tasche und
öffnet sich die Adern. Das Blut tropft vom Handgelenk. Ich habe versucht, ihn daran
zu hindern, aber er hat darauf bestanden, aus Angst, wieder in die Hände der
Verbrecher zu fallen.
Schweigend bleiben wir liegen. Wir haben Glück, sie haben uns nicht
bemerkt und den Wald verlassen. Mit einem Stück Stoff binde ich Masaryk den Arm
ab, das Bluten hört auf. Wir bleiben noch eine Weile liegen und hören
Zivilisten in den Wald kommen. Sie haben uns bemerkt und kehren wieder um. Wir
beschließen sofort aufzubrechen. Wir rennen ein paar Hundert Meter und kommen
wieder an einen Wald. Es ist Abend, und es wird allmählich dunkel. In der
Dämmerung laufen wir weiter, ohne zu wissen, wohin.
Masaryk war Offizier gewesen. Nachts kann er sich mithilfe der
Sterne orientieren, und wir lassen uns von ihm führen. Wir marschieren die
ganze Nacht. Als der Tag anbricht, sind wir in einem dichten Wald. Wir
beschließen, uns bis zum Abend hier aufzuhalten. Wir sind völlig erschöpft und
sterben vor Hunger.
Wir bleiben den ganzen Tag liegen. Alle paar Stunden hat ein anderer
von uns Dienst und muss aufpassen, dass keiner der Schlafenden zu schnarchen
beginnt, denn in diesem Wald ist jedes geringste Geräusch zu hören.
19
Wir klopfen bei einem Bauern an.
Die Mörder suchen uns.
Ich mache mich nach Warschau auf.
Ich begegne einem Menschen.
Man will mich der Polizei ausliefern.
Ankunft in Warschau.
Um Mitternacht machen wir uns auf den Weg und verlassen
den Wald. Die Nacht ist klar. Uns wird bewusst, dass wir noch ganz in der Nähe
von Treblinka sind. Wir wissen nicht, wohin wir gehen sollen, wir kehren in den
Wald zurück und laufen bis zum Morgen. Wir kommen an einen brackigen Tümpel.
Kamerad Masaryk kniet sich nieder und trinkt das trübe Wasser. Wir tun das
Gleiche.
Nach drei Tagen des Umherirrens sind wir todmüde und hungrig. Wir
beschließen, bei einem Bauern anzuklopfen, nach dem Weg zu fragen und um etwas
zu essen zu bitten.
In Begleitung von Kamerad Kalman, der die Gaskammern angezündet hat,
klopfe ich bei einem Bauern an. Die anderen bleiben im Wald versteckt, aus
Furcht, das könnten keine guten Menschen sein.
Der Bauer öffnet die Tür, lässt uns aber nicht herein. Er erzählt
uns, dass ununterbrochen deutsche Fahrzeuge auf der Suche nach uns hier
vorbeifahren. Der Bürgermeister hat wissen lassen, wer einen Juden an die Gendarmen
ausliefere oder anzeige, erhalte eine große Belohnung.
Der Bauer gibt uns ein Brot und etwas Milch. Dafür verlangt er Gold.
Wir geben ihm zwei Uhren. Wir erfahren, dass wir fünfzehn Kilometer von
Treblinka entfernt sind. Wir fragen ihn, wo sich Partisanengruppen aufhalten.
Er sagt, er wisse nichts, aber er erklärt uns, dass sich fünf Kilometer weiter
ein riesiger Wald befindet. Wir machen uns in die angegebene Richtung auf den
Weg. Vierzehn Tage irren wir umher, ohne die Partisanen zu finden. Oft
geschieht es, dass die Bauern auf unser Klopfen hin nicht öffnen, sie antworten
nicht einmal. Vor Durst und Hunger können wir uns nicht mehr auf den Beinen
halten. Wir graben Kartoffeln und Rote Bete aus und essen sie roh. Wir sind in
einem jämmerlichen Zustand. Tagsüber haben wir Angst, uns zu zeigen, denn die
Leute erzählen, es gebe immer noch Razzien.
Zwei Wochen sind wir so umhergeirrt, ohne einen Ausweg zu
finden. Ich schlage vor, dass wir versuchen, Warschau zu erreichen, denn einige
von uns haben dort Bekannte, vielleicht ist das unsere Rettung. Mein Vorschlag
wird abgelehnt, denn die anderen fürchten, wir könnten unterwegs den Mördern in
die Hände fallen.
Ich kann einfach nicht länger bleiben und beschließe, mich allein
nach Warschau auf den Weg zu machen. Es tut mir weh, mich von meinen Kameraden
zu trennen, trotzdem gehe ich. Wir küssen uns und wünschen uns, dass wir uns im
Leben noch einmal wiedersehen.
Nach ein paar Kilometern komme ich zu einem Dorf. Es ist Abend. Ich
gehe zu einem Bauern. Er hat Angst, mit mir zu sprechen. Er gibt mir ein Stück
Brot und sagt, Warschau sei neunundneunzig Kilometer entfernt. Wenige Minuten
später höre ich Schüsse in der Ferne. Der Bauer rennt in sein Haus zurück und
ruft, ich solle weglaufen. Ich
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